Von Kajo Aicher
Sehr geehrter Herr Bürgermeister Walter, liebe Kollegin und Kollegen, meine sehr geehrten Damen und Herren,
lassen Sie uns 1 Jahr zurückblicken zum letzten Haushalt: Wir waren mutig, manche auch etwas übermütig, und hatten uns sehr viel zugetraut. Nun, 1 Jahr später, wissen wir dass die Corona Pandemie aber auch Fledermäuse deutliche Bremsspuren hinterlassen haben. Trotzdem wurde mit großen Anstrengungen vieles erreicht und häufig Schlimmeres verhindert.
Bei der Obdachlosenunterbringung sind wir bezgl. Räumung Emil-Münch Straße zuletzt erfolgreich gewesen, konnten Übergangslösungen in Wohncontainern vermeiden und auch beim Baubeginn in der Jahnstraße sind wir nun einen guten Schritt weitergekommen. Notwendige
weitere, schon lange beschlossene Bauten sind in der Planung. Die aufgrund fehlender Alternativen beschlossenen Standorte scheinen bei vielen in der Bevölkerung erst jetzt richtig anzukommen, hier wird entsprechende Kommunikationsarbeit notwendig sein. Aber auch zum Thema Wärmenetze sind wir deutlich weiter und in einem realisierbaren Projektplan angekommen, die Phase der Ausschreibungen soll in Kürze starten. Es mag nicht offensichtlich sein, aber es geht hier auch um eine künftige Kostenvermeidung für die Stadt mit Hilfe von Investoren auf dem Weg zu einer mittelfristigen CO2 Neutralität. Das hilft unsere Mittel für andere Pflichtaufgaben zu verwenden.
Auch das Projekt Ortsentwicklung Kau 2030 darf als positives Highlight in 2020 gelten, dazu später mehr.
Es gibt sicher noch viele weitere positive Punkte. Und seien wir ehrlich, 2020 wird uns als schmerzhaft, aber nicht als Beinbruch in Erinnerung bleiben – dank großer Hilfen von Bund und Land. Die Krise ist aber leider noch nicht vorbei und wird uns noch weiter beschäftigen. Wir wissen, dass es nach der letzten großen Krise etwa 5 Jahre gedauert hat bis die Einnahmen das Vorkrisenniveau wieder erreicht haben. Darüber hinaus haben wir strukturelle Haushaltsthemen wie die Kinderbetreuung die den Haushalt seit Jahren und weiterhin zunehmend belasten. Hier wurde mit Hilfe der frühzeitig gegründeten Strukturkommission bereits gute Arbeit geleistet, aber die klare Botschaft ist: Wir werden noch länger sparen müssen. Sparen nicht im Sinne blinder Streichkonzerte nach der Methode Rasenmäher, sondern sparen im Sinne von fokussieren auf die unvermeidlichen Dinge und priorisieren der wichtigen Dinge. Und das sind dann mit 1. Prio unsere Pflichtaufgaben! Alles andere muss auf den Prüfstand, gestreckt, geschoben und in letzter Konsequenz auch in Frage gestellt werden. Das haben wir im Vorfeld intensiv getan. Auch in dem wir die Zielkosten von 10 Mio € für die neue 3‑Feld-Sporthalle mittragen werden.
An der Stelle möchten wir, die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen uns für die Aufstellung eines realistischen Haushalts bedanken, auch dafür, dass sich Frau Schubert, Frau Dollmann, Frau Bentele sowie die Herren Schwarz und Straub die Zeit genommen haben, uns selbigen zu erläutern, uns auch sehr detailliert den Personalhaushalt aufzuschlüsseln und unsere Fragen kompetent zu beantworten. Das hat uns noch mehr Vertrauen in die Arbeit der Verwaltung gegeben. Wir unterstützen daher auch den Vorschlag aus der Strukturkommission einen Pauschalansatz einer Erhöhung von 280.000 €. Mit einem Anteil von 140.000 € für 2021. Dieses Budget kann die Verwaltung so einsetzen wie sie es für richtig empfindet. Wir haben hier das Vertrauen, dass es in die richtigen und notwendigen Stellenbesetzungen geht.
Im Personalhaushalt nimmt die Kinderbetreuung mit ca. 4 Mio. €/Jahr oder 8.000€/Kind, respektive einem Abmangel von 5,5 Mio €/ Jahr einen weiter steigenden Anteil ein, aber da können wir Herrn Schwarz nur zustimmen wenn er sagt: „Auf die gute Betreuung sind wir sehr stolz, auch wenn wir dabei mit den Kosten in die Höhe gegangen sind. Das sind wir unseren Bürgern auch schuldig…“. Hier werden vom Bund den Kommunen Pflichten auferlegt und zu wenig Unterstützung gewährt. Auch wenn unter der Grünen Landesregierung diese spürbar gestiegen ist, sind die Aufwendungen insbesondere im Bereich der unter 3‑jährigen erheblich angewachsen und tun dies auch weiterhin. „Das schnürt unseren Haushalt jedes Jahr mehr zu“ wie Frau Schubert im VA richtig sagte und wir wissen bereits heute, dass das mit Bezug des Loretokindergartens ein weiterer Kostenblock im Haushalt hinzukommen wird.
Hinsichtlich der Projektlisten möchten wir dem Vorschlag der Verwaltung in weiten Teilen folgen. Möchten aber auch, aus unserer Sicht sehr wichtige Punkte ändern und ergänzen.
1. Eine um 1,1 Mill. € (oder um 650T€) höhere Verschuldung für einen Kreisverkehr, für den wir nicht zuständig sind, als Freiwilligkeitsleistung ist angesichts der akut und künftig anstehenden und trotzdem gekürzten Pflichtaufgaben (Sporthalle), immer wieder zurückgestellter Pflichtaufgaben (Kindergartenerweiterung Kau),aber auch wichtiger Dinge, für die wir tatsächlich zuständig wären (z.B. Sanierung der Montfortstraße) für uns nicht akzeptabel. An vielen Stellen brennt das Dach (oder es regnet rein) und hier reden wir über „Schöner Wohnen“. Wir hoffen, dass alle aktiven Kreiselbefürwortern, aber auch jene die es passiv durch ihre Stimmenthaltung unterstützt haben, das mit uns heute neu justieren und wir gemeinsam an einer verkehrlich sicheren Lösung für die Schäferhofkreuzung mit dem RP arbeiten–finanziert vom zuständigen RP.
2. Wir unterstützen die Forderung des OR Kau die Planungskosten für einen weiteren Kindergartenausbau nicht weiter zu verschieben, sondern in 2021 aufzunehmen. Wir sehen keinen Unterschied bei den Pflichtaufgaben zur Kinderbetreuung zwischen dem Schäferhof, dem Loretokindergarten, im alten Forstamt oder im Kau.
3. Wir wollen die angesetzten 50.000 €für die Sanierung KITT mit aufnehmen. Der Kulturbetrieb in TT sollte nach der Pandemie schnell wieder zum Laufen kommen. Und da hier viel Bürgerschaftliches Engagement dahinter steht sehen wir das als eine sehr sinnvolle und vertretbare Investition an.
4. Aufgrund der Raumnot in der Ortschaft Kau wollen wir 20.000 € für die Ertüchtigung des EG-Raums im Hochhaus Kau, für die Einrichtung als „Dorfgemeinschaftsräumlichkeiten“ zur Nutzung für bürgerschaftliches Engagement und Vereine aufnehmen, inkl. der notwendigen jährlichen Mietkosten. Hier besteht die Chance mit moderaten Kosten etwas aus der Ortsentwicklung Kau 2030 zu realisieren.
Rund 40% unserer Aufwendungen sind Transferaufwendungen, wie z.B. die Kreisumlage. Diese schränken unseren finanziellen Spielraum ganz erheblich ein. Hier würden wir uns eine deutliche Absenkung wünschen. Der Kreis hat die letzten Jahre auf dem Rücken der Kommunen Schulden abgebaut und manche Straßensanierungsmaßnahme macht den Eindruck, dass noch kein echter Sparwille vorhanden ist.
Was wir, über das St. Annaquartier hinaus, immer noch nicht haben ist „bezahlbarer Wohnraum“. Bezahlbarer Wohnraum ist DAS Themaschlechthin. Wir hoffen, dass wir hier bald zu einer Einigung kommen, auch im Sinne der von den steigenden Mietpreisen betroffenen Bevölkerungsgruppe aus unseren „systemrelevanten Berufsgruppen“. Eine gute Lösung hier reduziert den Bedarf von Obdachlosenunterkünften später. Es geht dabei mittlerweile um rund 1/3 der Bevölkerung, so hoch ist der Anteil an der Bevölkerung, der Anrecht auf vergünstigten Wohnraum hat und so hoch sollte unserer Meinung nach auch der Anteil bezahlbaren Wohnraums bei neuen Projekten sein. Dieses Ziel sind wir unserer Bevölkerung schuldig.
Wir begrüßen es sehr, dass wir Ende April gemeinsam in eine weitere Klausurtagung gehen, um über 2021 hinaus zu blicken und die Herausforderungen für ein Tettnang 2030 anzugehen. Wir sehen hier
- Die Agenda 2030 zur Erreichung ökonomischer und sozialer Nachhaltigkeitsziele. Ein Teilziel CO2 Neutralität steckt bereits in unseren Nahwärmenetz mit drin.
- Neben der Wärmewende bzw. Energiewende dürfen wir die anderen Bereiche speziell die Verkehrswende nicht aus dem Blick verlieren. Wir müssen den ÖPNV sowie den Rad-und Fußverkehr für alle Bevölkerungsgruppen deutlich stärken und attraktiver machen, um den CO2 intensiven motorisierten Individualverkehr zu reduzieren.
- Die Aufenthaltsqualität in der Kernstadt stärken und damit dem lokalen Handel helfen aus der Krise zu kommen. Nicht aus der Corona-Krise, dafür kommen wir zu spät, aber aus der strukturellen Krise durch den Online-Handel die sich durch Corona weiter verschärft hat.
- Last but not least: Die Stärkung des bürgerschaftlichen Engagements vor Ort um die gesellschaftlichen Herausforderungen in Folge von Migrationsbewegungen, Pandemie, Digitalisierung, … als Gesellschaft zu bewältigen.
Wir setzen hierzu auf eine konstruktive Zusammenarbeit von Verwaltung, Gemeinderat und Unternehmen für nachhaltige Ziele, um dann GEMEINSAM das WIE und WANN zu priorisieren.
Damit wir in einem Jahr nicht sagen, Tettnang, du hast dich gar nicht verändert, sondern sagen, Tettnang, du hast dich positiv verändert. Und das, weil wir gemeinsam gut daran gearbeitet haben!
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
Es gilt das gesprochene Wort.