Haushaltssondersitzung und doch kein Haushalt

Euro
Das liebe Geld

(hs, 19.12.) Nach der ursprüng­li­chen Planung hät­te der städ­ti­sche für in einer nur dem Haushalt gewid­me­ten am 11.12.2024 beschlos­sen wer­den sol­len, damit erst­mals noch im alten Jahr, so dass man in das neue bereits mit einem beschlos­se­nen Haushalt hät­te star­ten kön­nen. Aber es kam anders. Zunächst kam die Forderung auf, den Haushaltsbeschluss doch ins Jahr 2025 zu ver­schie­ben, um sich noch ver­tief­ter mit dem Zahlenwerk aus­ein­an­der­set­zen zu kön­nen. Daraufhin wur­de eine Sondersitzung des Verwaltungsausschusses auf den 23. Januar 2025 zur wei­te­ren Vorberatung des Haushaltsplanes ange­setzt und der Haushalt soll­te erst danach beschlos­sen werden.

In den vor­be­rei­ten­den Sitzungen kam dann aber sei­tens der bei­den gro­ßen Fraktionen FW/FDP und CDU das Signal, dass sie ein Zeichen set­zen wol­len und den Haushalt ins­ge­samt ableh­nen wol­len. Seit Jahren bekla­ge man die man­gel­haf­te Finanzausstattung der Kommunen, jetzt sei es an der Zeit, ein Zeichen zu set­zen. Aufgrund die­ser Signale wur­de dann die neu­er­li­che Planung wie­der ver­wor­fen und es wur­de ohne wei­te­re Vorberatungen eine Gemeinderatssitzung für den 18.12.2024 ange­setzt, in wel­chem über den vor­lie­gen­den Haushaltsplan 2025 Beschluss gefasst wer­den soll­te. In der gest­ri­gen Sitzung wur­de dann sei­tens der FW/FDP gleich zu Beginn der Antrag gestellt, dass zunächst ledig­lich die Haushaltsreden der Fraktionen mit even­tu­el­ler anschlie­ßen­der Aussprache dazu gehal­ten wer­den sol­len, dass dann aber ohne wei­te­re Beratung der Projektlisten die Beschlussfassung über den Haushaltsplan erfol­gen soll. Dies wur­de sodann mit den Stimmen von FW/FDP, CDU und SPD so beschlossen.

Nach den Haushaltsreden kam es dann zu dem Beschluss. Während wir Grüne mit Bürgermeisterin Rist für den Haushalt 2025 stimm­ten, wur­de die­ser von allen ande­ren abge­lehnt. Es muss daher im Neuen Jahr erneut über den Haushalt bera­ten und beschlos­sen werden.

Hier die Haushaltsrede unse­rer Fraktion, vor­ge­tra­gen von mir als Fraktionssprecher:

Haushaltsrede 18.12.2024

Sehr geehr­te Frau Bürgermeisterin Rist,
mei­ne Damen und Herren,

zunächst darf ich mich namens der Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen bei Ihnen, Stadtkämmerin Claudia Schubert und dem gan­zen Team, das an der Erstellung des vor­ge­leg­ten Haushaltsplan-Entwurfes mit­ge­wirkt hat, ganz herz­lich bedan­ken. Das Aufstellen eines kom­mu­na­len Haushaltsplanes ist jedes Jahr und jedes Jahr immer mehr eine enor­me Herausforderung.
Und die­ses Jahr lag der Entwurf des Haushaltsplanes auch so recht­zei­tig vor, dass ein Haushaltsbeschluss noch in die­sem Jahr mög­lich gewe­sen wäre. Aber dazu wird es nun wohl doch nicht kom­men. Es hat sich ein Hin und Her bei der Sitzungsplanung erge­ben, über wel­ches wir in unse­rer Fraktion nicht beson­ders glück­lich sind.

„Den letz­ten bei­ßen die Hunde“ – so könn­te man die Haushaltsplanung mitt­ler­wei­le bezeich­nen. Aber irgend­wann ist das Opfer auch tot und es gibt nichts mehr zu beißen.

Seit Jahren bekla­gen die Kommunen und so auch , dass ihnen immer mehr Aufgaben über­tra­gen und auf­er­legt wer­den, dass aber die ent­spre­chen­de finan­zi­el­le Ausstattung – obwohl gesetz­lich zuge­si­chert – hier­bei bei wei­tem nicht Schritt hält.

Wir dür­fen hier­zu ein paar Beispiele nennen:

  1. Die Einführung des Rechtsanspruches auf die Kleinkindbetreuung von unter Dreijährigen hat die Kommunen zunächst im inves­ti­ven Bereich vor gro­ße Herausforderungen gestellt. So hat auch Tettnang bestehen­de Kindergärten erwei­tert und neue gebaut oder ein­ge­rich­tet. Trotz Bauzuschüssen waren hier erheb­li­che Darlehensaufnahmen erfor­der­lich.
    Aber die größ­te Herausforderung dabei sind die enor­men Steigerungen bei den Personalkosten. Zwar hat das Land die den Kommunen inso­weit zuste­hen­den Zuschüsse vor eini­gen Jahren erhöht, die­se aber gleich­zei­tig auch gede­ckelt, was bedeu­tet, dass der Zuschuss bei Tariferhöhungen und all­ge­mei­nen Kostensteigerungen z.B. bei Strom, Heizung, Reinigung usw. jedes Jahr weni­ger wert ist. Insbesondere durch die Inflation im Zusammenhang mit Corona, dem Ukrainekrieg und der Energiekrise ist dies ein bedeu­ten­der Faktor.
    Durch immer mehr Vorschriften z.B. im Dokumentationswesen, sind die Personalkosten eben­falls gestie­gen, höhe­re Freistellungen für Verwaltungsaufgaben waren not­wen­dig. Und auch die Personalbeschaffungskosten sind gestie­gen, da es immer schwie­ri­ger wird, genü­gend geeig­ne­tes Personal zu finden.
  2. Die Grundsteuer war bis­lang eine sta­ti­sche Steuer, die an einen uralten Grundstückswert geknüpft war. Damit die­se Steuer nicht immer weni­ger wert war, bedurf­te es alle paar Jahre einer Anhebung. In Tettnang liegt die letz­te Erhöhung ca. 14 Jahre zurück und eine sol­che wäre wie­der ange­stan­den.
    Angesichts des­sen, dass das Verfassungsgericht das alte Grundsteuersystem für ver­fas­sungs­wid­rig erklärt und ein neu­es System ver­langt hat, hat man in Tettnang davon abge­se­hen, eine ver­fas­sungs­wid­ri­ge Steuer zu erhö­hen, son­dern woll­te die Einführung eines neu­en Systems abwar­ten.
    Dann wur­de aber „von oben“ an den Kommunen vor­bei ver­spro­chen, dass die Umstellung der Grundsteuer auf­kom­mens­neu­tral sein wer­de. Das ver­zö­gert eine längst fäl­li­ge Grundsteuererhöhung erneut.
  3. Im Bauwesen haben wir mitt­ler­wei­le einen Verwaltungsaufwand, eine Bürokratie, dass die Verfahren zur Aufstellung eines Bebauungsplanes mitt­ler­wei­le i.d.R. etwa zwei Jahre dau­ern und einen erheb­li­chen Personalaufwand erfor­dern. Ebenso sind Baugenehmigungen in der Zwischenzeit sehr per­so­nal- und zeit­auf­wän­dig gewor­den, was zu Lasten der Kommunen geht. Hier ist Bürokratieabbau und Vereinfachung drin­gend gebo­ten. Das haben aber nicht die Kommunen in der Hand, son­dern und Land. Es ist zu hof­fen, dass die in Vorbereitung befind­li­che Änderung der Landesbauordnung eine wirk­lich spür­ba­re Entlastung für die Kommunen bringt.
  4. Digitalisierung, ob in der Verwaltung oder den Schulen, ist eine Sache, die ange­gan­gen wer­den muss, aber allen­falls mit­tel- bis lang­fris­tig zu einer Entlastung in den Rathäusern füh­ren wird. Bis dahin sind Fachleute hin­sicht­lich der Digitalisierung ein­zu­stel­len und zu beschäf­ti­gen, ohne dass gleich­zei­tig schon Personal durch Verwaltungsvereinfachung ein­ge­spart wer­den könn­te. Auch das kos­tet die Kommunen zusätz­lich Geld.

Das sind nur eini­ge Beispiele, die in ihrer Summe dazu füh­ren, dass Tettnang wie vie­le ande­re Kommunen auch, kei­nen aus­ge­gli­che­nen Haushalt mehr auf­stel­len kann.

In Tettnang konn­te dies dank vor­sich­ti­ger Haushaltsplanung bis­lang noch ver­mie­den wer­den oder durch tat­säch­li­che Haushaltsabschlüsse, die bes­ser waren als der Plan, Rücklagen gebil­det wer­den, von wel­chen wir der­zeit noch zeh­ren.
Diese Spielräume sind jedoch nicht mehr gege­ben, die Haushaltsplanung ist immer ziel­ge­nau­er gewor­den. Z.B. wird bei den Personalkosten nicht mehr mit dem vol­len Betrag kal­ku­liert, son­dern es wird schon ein Abzug ein­kal­ku­liert, der bei Stellenwechseln durch vor­über­ge­hen­de Nicht-Besetzung entsteht.

Nach der aktu­el­len mit­tel­fris­ti­gen Finanzplanung wären Rücklagen inner­halb fünf Jahren so weit auf­ge­braucht, dass Tettnang einer­seits wei­ter­hin kei­nen aus­ge­gli­che­nen Haushaltsplan auf­stel­len könn­te, aber auch die Mindestliquidität nicht mehr gege­ben wäre, was dazu füh­ren wür­de, dass der Haushaltsplan nicht geneh­mi­gungs­fä­hig wäre, wenn nicht ent­schei­den­de Änderungen eintreten.

Und las­sen sie uns klar fest­stel­len: Es ist nicht die Verschuldung, wel­che zu die­ser Situation führt. Der Aufwand für Zins und Tilgung ist der­zeit und auch in fünf Jahren in einer Höhe, dass ein Haushalt in der Größenordnung wie der Tettnanger dies ohne wei­te­re stem­men kön­nen muss. Genauso gut könn­te man vie­le ande­re Positionen im Haushalt her­an­zie­hen und für die pro­ble­ma­ti­sche Situation ver­ant­wort­lich machen.

Auch die viel­zi­tier­te „schwä­bi­sche Hausfrau“ finan­ziert ihr Häusle über Darlehen, das sie dann abträgt.

Ja, Tettnang ver­schul­det sich durch den Kauf des Avira-Gebäudes erheb­lich wei­ter. Letztlich müs­sen wir es den­noch als Glücksfall betrach­ten, denn ansons­ten wäre die Stadt gezwun­gen, den zwei- bis drei­fa­chen Betrag auf­zu­wen­den, um sei­ne gesetz­lich zuge­wie­se­nen Aufgaben z.B. im Bereich Kindergärten und Schulen zu erfüllen.

Nein, das Problem ist, dass über den Ergebnishaushalt kein Überschuss mehr erwirt­schaf­tet wer­den kann, der aus­reicht, um not­wen­di­ge Investitionen und dafür not­wen­di­ge Darlehen zu stemmen.

Wir müs­sen – Stichwort Klimaschutz – unse­rer Nachwelt eine siche­re Lebensgrundlage hin­ter­las­sen und zwar glo­bal und dafür heu­te die not­wen­di­gen Schritte tun. Schadensvermeidung kos­tet heu­te zwar viel Geld, ist aber viel effek­ti­ver und preis­güns­ti­ger, als Schadensbeseitigung.

Wir müs­sen sicher­stel­len, dass auch künf­ti­ge Generationen ein lebens­wer­tes Leben in Gemeinschaft füh­ren kön­nen.
Und wenn Tettnang auch in eine attrak­ti­ve und kon­kur­renz­fä­hi­ge Stadt blei­ben will, bedarf es wei­ter­hin Investitionen in eine lebens­wer­te Stadt mit einer attrak­ti­ven Infrastruktur wie Stadtbücherei, Musikschule, Freizeiteinrichtungen und mehr.
Investitionen in Schulen, all­ge­mein, und vie­les mehr sind Investitionen in die Zukunft und uner­läss­lich, ohne sie ver­liert der Standort an Anziehungskraft, wird es schwie­ri­ger Arbeitskräfte für Tettnang zu gewin­nen.
Was hilft nun Tettnang, bei der Bewältigung der anste­hen­den finan­zi­el­len Herausforderungen, wie kom­men wir wie­der zu einem posi­ti­ven Ergebnishaushalt, der auch künf­ti­ge, not­wen­di­ge Investitionen mög­lich macht?

Ja, die seit Jahren gefor­der­te bes­se­re finan­zi­el­le Ausstattung der Kommunen „von oben“ ist drin­gend not­wen­dig.
Aber dabei hilft uns weder die Verweigerung eines Haushaltsbeschlusses. Im Gegenteil, er scha­det nur uns selbst und behin­dert uns in der täg­li­chen Arbeit. Wenn eine Aktion, dann soll­te sie den­je­ni­gen tref­fen, der eine Änderung her­bei­füh­ren könnte.

Wenn wir Anfang nächs­ten Jahres irgend­wann dann doch einen Haushalt beschlie­ßen, wo bleibt dann die Wirkung einer sol­chen momen­ta­nen Verweigerung? Sie ver­pufft und ver­kehrt sich in das Gegenteil. „Es geht ja doch“ wird es dann hei­ßen.
Auch der Ruf an den Kreistag, die Kreisumlage nicht zu erhö­hen, wird uns nicht viel wei­ter­hel­fen. Ja, jeder Punkt, um den die Kreisumlage erhöht wird, kos­tet die Stadt rund 400.000 €, das wären bei 3 Punkten 1,2 Millionen €, die die Stadt drin­gend braucht. Und es kann in der Tat nicht sein, dass die Finanzprobleme stets nach unten wei­ter­ge­ge­ben wer­den und sich ein Kreis auf dem Rücken sei­ner Mitgliedskommunen ent­schul­det. Wie hat­te ich ein­gangs gesagt: „Den Letzten bei­ßen die Hunde.“
Aber letzt­lich sind die Diskussionen im Landkreis die­sel­ben, wie hier in der Stadt.

Was wir brau­chen sind meh­re­re Dinge:

  • Wir brau­chen einen Systemwechsel bei der Finanzierung der Kommunen. Es darf nicht nur ver­spro­chen, son­dern sicher­ge­stellt wer­den, dass bei Übertragung von Aufgaben an die Kommunen oder deren Ausweitung die Finanzierung dau­er­haft sicher­ge­stellt wird. Die Kommunen brau­chen hier ein Klagerecht vor den Verwaltungsgerichten, damit sie dies durch­set­zen kön­nen.
    Hier gilt es, poli­ti­sche Kräfte mobil zu machen.
  • Auch die Kreisumlage muss eine ande­re Basis bekom­men, die nur mit der Inflation atmet. Auch der Kreis braucht eine Finanzierung „von oben“, die ihm die Erfüllung der ihm über­tra­ge­nen Aufgaben ermög­licht. Der Kreis darf dabei nicht dar­auf ver­wie­sen wer­den, sich per Kreisumlage von unten zu bedienen.
  • Sowohl im Kreis, als auch auf Ebene der Städte und Gemeinden ist strikt zu priorisieren.
  • Bei die­ser Prioritätensetzung ist auch vom gesam­ten Gemeinderat ein „Ziehen an einem Strang“ erfor­der­lich. Alle müs­sen sich ehr­lich machen und wir wer­den nicht umhin­kom­men, dass wir uns auch von lieb­ge­won­ne­nen Dingen wer­den ver­ab­schie­den müs­sen oder man­ches Projekt hint­an­stel­len müs­sen, das wir ger­ne hätten.
  • Wir sind in der Gemeinde gefor­dert, auch mög­li­che Einnahmequellen zu gene­rie­ren oder sie zu erhö­hen und letzt­lich zu spa­ren.
    Lohnt sich eine Zweitwohnsteuer? Macht eine Fehlbelegungsabgabe Sinn? Wie hoch muss die Erhöhung der Grundsteuer in einem Jahr aus­fal­len, um die Inflation der letz­ten Jahre aus­zu­glei­chen? Danach wird sich nach der neu­en Gesetzeslage alle sie­ben Jahre ganz auto­ma­tisch eine Anpassung erge­ben, wenn die Grundsteuer nach den jewei­li­gen Bodenrichtwerten neu berech­net wer­den wird. Können wir im Winter die Raumtemperatur in öffent­li­chen Gebäuden um 1 Grad absen­ken und was kön­nen wir dadurch einsparen?

Meine Damen und Herren, das sind die Gedanken, die uns heu­te bewe­gen. Unsere Fraktion wird sich dem Beschluss des Haushaltes nicht ver­wei­gern, nicht, weil wir die Probleme nicht eben­so sehen wür­den, wie alle hier im Haus, son­dern weil wir glau­ben, dass uns die­ses „Nein“ – lei­der – auch nicht weiterbringt.

Ich bedan­ke mich für Ihre Aufmerksamkeit und Geduld.

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