Haushaltsrede 10.03.2021 im Gemeinderat

Von Kajo Aicher

Sehr geehrter Herr Walter, liebe Kollegin und Kollegen, meine sehr geehrten Damen und Herren,

las­sen Sie uns 1 Jahr zurück­bli­cken zum letz­ten Haushalt: Wir waren mutig, man­che auch etwas über­mü­tig, und hat­ten uns sehr viel zuge­traut. Nun, 1 Jahr spä­ter, wis­sen wir dass die Corona Pandemie aber auch Fledermäuse deut­li­che Bremsspuren hin­ter­las­sen haben. Trotzdem wur­de mit gro­ßen Anstrengungen vie­les erreicht und häu­fig Schlimmeres verhindert.

Bei der Obdachlosenunterbringung sind wir bezgl. Räumung Emil-Münch Straße zuletzt erfolg­reich gewe­sen, konn­ten Übergangslösungen in Wohncontainern ver­mei­den und auch beim Baubeginn in der Jahnstraße sind wir nun einen guten Schritt wei­ter­ge­kom­men. Notwendige
wei­te­re, schon lan­ge beschlos­se­ne Bauten sind in der Planung. Die auf­grund feh­len­der Alternativen beschlos­se­nen Standorte schei­nen bei vie­len in der Bevölkerung erst jetzt rich­tig anzu­kom­men, hier wird ent­spre­chen­de Kommunikationsarbeit not­wen­dig sein. Aber auch zum Thema Wärmenetze sind wir deut­lich wei­ter und in einem rea­li­sier­ba­ren Projektplan ange­kom­men, die Phase der Ausschreibungen soll in Kürze star­ten. Es mag nicht offen­sicht­lich sein, aber es geht hier auch um eine künf­ti­ge Kostenvermeidung für die Stadt mit Hilfe von Investoren auf dem Weg zu einer mit­tel­fris­ti­gen CO2 Neutralität. Das hilft unse­re Mittel für ande­re Pflichtaufgaben zu verwenden. 

Auch das Projekt Ortsentwicklung Kau 2030 darf als posi­ti­ves Highlight in 2020 gel­ten, dazu spä­ter mehr.

Es gibt sicher noch vie­le wei­te­re posi­ti­ve Punkte. Und sei­en wir ehr­lich, 2020 wird uns als schmerz­haft, aber nicht als Beinbruch in Erinnerung blei­ben – dank gro­ßer Hilfen von und Land. Die Krise ist aber lei­der noch nicht vor­bei und wird uns noch wei­ter beschäf­ti­gen. Wir wis­sen, dass es nach der letz­ten gro­ßen Krise etwa 5 Jahre gedau­ert hat bis die Einnahmen das Vorkrisenniveau wie­der erreicht haben. Darüber hin­aus haben wir struk­tu­rel­le Haushaltsthemen wie die Kinderbetreuung die den Haushalt seit Jahren und wei­ter­hin zuneh­mend belas­ten. Hier wur­de mit Hilfe der früh­zei­tig gegrün­de­ten Strukturkommission bereits gute Arbeit geleis­tet, aber die kla­re Botschaft ist: Wir wer­den noch län­ger spa­ren müs­sen. Sparen nicht im Sinne blin­der Streichkonzerte nach der Methode Rasenmäher, son­dern spa­ren im Sinne von fokus­sie­ren auf die unver­meid­li­chen Dinge und prio­ri­sie­ren der wich­ti­gen Dinge. Und das sind dann mit 1. Prio unse­re Pflichtaufgaben! Alles ande­re muss auf den Prüfstand, gestreckt, gescho­ben und in letz­ter Konsequenz auch in Frage gestellt wer­den. Das haben wir im Vorfeld inten­siv getan. Auch in dem wir die Zielkosten von 10 Mio € für die neue 3‑Feld-Sporthalle mit­tra­gen werden.

An der Stelle möch­ten wir, die Bündnis 90/Die Grünen uns für die Aufstellung eines rea­lis­ti­schen Haushalts bedan­ken, auch dafür, dass sich Frau Schubert, Frau Dollmann, Frau Bentele sowie die Herren Schwarz und Straub die Zeit genom­men haben, uns sel­bi­gen zu erläu­tern, uns auch sehr detail­liert den Personalhaushalt auf­zu­schlüs­seln und unse­re Fragen kom­pe­tent zu beant­wor­ten. Das hat uns noch mehr Vertrauen in die Arbeit der Verwaltung gege­ben. Wir unter­stüt­zen daher auch den Vorschlag aus der Strukturkommission einen Pauschalansatz einer Erhöhung von 280.000 €. Mit einem Anteil von 140.000 € für 2021. Dieses Budget kann die Verwaltung so ein­set­zen wie sie es für rich­tig emp­fin­det. Wir haben hier das Vertrauen, dass es in die rich­ti­gen und not­wen­di­gen Stellenbesetzungen geht. 

Im Personalhaushalt nimmt die Kinderbetreuung mit ca. 4 Mio. €/Jahr oder 8.000€/Kind, respek­ti­ve einem Abmangel von 5,5 Mio €/ Jahr einen wei­ter stei­gen­den Anteil ein, aber da kön­nen wir Herrn Schwarz nur zustim­men wenn er sagt: Auf die gute Betreuung sind wir sehr stolz, auch wenn wir dabei mit den in die Höhe gegan­gen sind. Das sind wir unse­ren Bürgern auch schul­dig…“. Hier wer­den vom Bund den Kommunen Pflichten auf­er­legt und zu wenig Unterstützung gewährt. Auch wenn unter der Grünen Landesregierung die­se spür­bar gestie­gen ist, sind die Aufwendungen ins­be­son­de­re im Bereich der unter 3‑jährigen erheb­lich ange­wach­sen und tun dies auch wei­ter­hin. „Das schnürt unse­ren Haushalt jedes Jahr mehr zu“ wie Frau Schubert im VA rich­tig sag­te und wir wis­sen bereits heu­te, dass das mit Bezug des Loretokindergartens ein wei­te­rer Kostenblock im Haushalt hin­zu­kom­men wird. 

Hinsichtlich der Projektlisten möch­ten wir dem Vorschlag der Verwaltung in wei­ten Teilen fol­gen. Möchten aber auch, aus unse­rer Sicht sehr wich­ti­ge Punkte ändern und ergänzen. 

1. Eine um 1,1 Mill. € (oder um 650T€) höhe­re Verschuldung für einen Kreisverkehr, für den wir nicht zustän­dig sind, als Freiwilligkeitsleistung ist ange­sichts der akut und künf­tig anste­hen­den und trotz­dem gekürz­ten Pflichtaufgaben (Sporthalle), immer wie­der zurück­ge­stell­ter Pflichtaufgaben (Kindergartenerweiterung Kau),aber auch wich­ti­ger Dinge, für die wir tat­säch­lich zustän­dig wären (z.B. Sanierung der Montfortstraße) für uns nicht akzep­ta­bel. An vie­len Stellen brennt das Dach (oder es reg­net rein) und hier reden wir über „Schöner Wohnen“. Wir hof­fen, dass alle akti­ven Kreiselbefürwortern, aber auch jene die es pas­siv durch ihre Stimmenthaltung unter­stützt haben, das mit uns heu­te neu jus­tie­ren und wir gemein­sam an einer ver­kehr­lich siche­ren Lösung für die Schäferhofkreuzung mit dem RP arbeiten–finanziert vom zustän­di­gen RP.

2. Wir unter­stüt­zen die Forderung des OR Kau die Planungskosten für einen wei­te­ren Kindergartenausbau nicht wei­ter zu ver­schie­ben, son­dern in 2021 auf­zu­neh­men. Wir sehen kei­nen Unterschied bei den Pflichtaufgaben zur Kinderbetreuung zwi­schen dem , dem Loretokindergarten, im alten Forstamt oder im Kau.

3. Wir wol­len die ange­setz­ten 50.000 €für die Sanierung KITT mit auf­neh­men. Der Kulturbetrieb in TT soll­te nach der Pandemie schnell wie­der zum Laufen kom­men. Und da hier viel Bürgerschaftliches Engagement dahin­ter steht sehen wir das als eine sehr sinn­vol­le und ver­tret­ba­re Investition an. 

4. Aufgrund der Raumnot in der Ortschaft Kau wol­len wir 20.000 € für die Ertüchtigung des EG-Raums im Hochhaus Kau, für die Einrichtung als „Dorfgemeinschaftsräumlichkeiten“ zur Nutzung für bür­ger­schaft­li­ches Engagement und Vereine auf­neh­men, inkl. der not­wen­di­gen jähr­li­chen Mietkosten. Hier besteht die Chance mit mode­ra­ten Kosten etwas aus der Ortsentwicklung Kau 2030 zu realisieren. 

Rund 40% unse­rer Aufwendungen sind Transferaufwendungen, wie z.B. die Kreisumlage. Diese schrän­ken unse­ren finan­zi­el­len Spielraum ganz erheb­lich ein. Hier wür­den wir uns eine deut­li­che Absenkung wün­schen. Der Kreis hat die letz­ten Jahre auf dem Rücken der Kommunen Schulden abge­baut und man­che Straßensanierungsmaßnahme macht den Eindruck, dass noch kein ech­ter Sparwille vor­han­den ist.

Was wir, über das St. Annaquartier hin­aus, immer noch nicht haben ist „bezahl­ba­rer Wohnraum“. Bezahlbarer Wohnraum ist DAS Themaschlechthin. Wir hof­fen, dass wir hier bald zu einer Einigung kom­men, auch im Sinne der von den stei­gen­den Mietpreisen betrof­fe­nen Bevölkerungsgruppe aus unse­ren „sys­tem­re­le­van­ten Berufsgruppen“. Eine gute Lösung hier redu­ziert den Bedarf von Obdachlosenunterkünften spä­ter. Es geht dabei mitt­ler­wei­le um rund 1/3 der Bevölkerung, so hoch ist der Anteil an der Bevölkerung, der Anrecht auf ver­güns­tig­ten Wohnraum hat und so hoch soll­te unse­rer Meinung nach auch der Anteil bezahl­ba­ren Wohnraums bei neu­en Projekten sein. Dieses Ziel sind wir unse­rer Bevölkerung schuldig.

Wir begrü­ßen es sehr, dass wir Ende April gemein­sam in eine wei­te­re Klausurtagung gehen, um über 2021 hin­aus zu bli­cken und die Herausforderungen für ein Tettnang 2030 anzu­ge­hen. Wir sehen hier

  • Die Agenda 2030 zur Erreichung öko­no­mi­scher und sozia­ler Nachhaltigkeitsziele. Ein Teilziel CO2 Neutralität steckt bereits in unse­ren mit drin.
  • Neben der Wärmewende bzw. Energiewende dür­fen wir die ande­ren Bereiche spe­zi­ell die nicht aus dem Blick ver­lie­ren. Wir müs­sen den sowie den Rad-und Fußverkehr für alle Bevölkerungsgruppen deut­lich stär­ken und attrak­ti­ver machen, um den CO2 inten­si­ven moto­ri­sier­ten Individualverkehr zu reduzieren.
  • Die Aufenthaltsqualität in der Kernstadt stär­ken und damit dem loka­len Handel hel­fen aus der Krise zu kom­men. Nicht aus der Corona-Krise, dafür kom­men wir zu spät, aber aus der struk­tu­rel­len Krise durch den Online-Handel die sich durch Corona wei­ter ver­schärft hat.
  • Last but not least: Die Stärkung des bür­ger­schaft­li­chen Engagements vor Ort um die gesell­schaft­li­chen Herausforderungen in Folge von Migrationsbewegungen, Pandemie, Digitalisierung, … als zu bewältigen.

Wir set­zen hier­zu auf eine kon­struk­ti­ve Zusammenarbeit von Verwaltung, und Unternehmen für nach­hal­ti­ge Ziele, um dann GEMEINSAM das WIE und WANN zu priorisieren. 

Damit wir in einem Jahr nicht sagen, Tettnang, du hast dich gar nicht ver­än­dert, son­dern sagen, Tettnang, du hast dich posi­tiv ver­än­dert. Und das, weil wir gemein­sam gut dar­an gear­bei­tet haben!

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

Es gilt das gespro­che­ne Wort.