Haushaltsrede 2025 

(16. Dezember, Kreistagssitzung) – es gilt das gespro­che­ne Wort

Silvia Queri (Fraktionssprecherin)

Sehr geehr­ter Herr Landrat, Damen und Herren der Verwaltung, Pressevertreter:innen, Ratskolleg:innen, sehr geehr­te Bürgerinnen und Bürger.

Ich spa­re mir das kon­kre­te Zahlenwerk, das hat – wie erwar­tet – Kollege Wengert per­fekt dar­ge­stellt, ich möch­te nach­fol­gend ein­zel­ne the­ma­ti­sche Punkte auf­grei­fen, die aus unse­rer Sicht haus­halts­wirk­sam sind.

GrundsätzlichesDas Defizit der kom­mu­na­len Haushalte von rund 30 Milliarden Euro ist beängs­ti­gend. Als eine zen­tra­le Ursache wird die Vielzahl von Aufgaben genannt, die Bund und Länder an die Kommunen über­tra­gen haben. Diese erzeu­gen immer mehr büro­kra­ti­schen Aufwand und damit Personalbedarf. Hinzu kom­men ver­spä­te­te und kom­pli­zier­te Abrechnungsverfahren, die Haushaltsklarheit ver­hin­dern und die ohne­hin schon exis­tie­ren­de struk­tu­rel­le Unterfinanzierung der Kommunen wei­ter verschärfen.

Einsparungen im Haushalt kön­nen aller­dings nur ein Lösungs-Ansatz von meh­re­ren sein, sonst scha­den sie der­de­mo­kra­ti­schen Stabilität in unse­rem Land. Denn maro­de Schulen, geschlos­se­ne Schwimmbäder und gestri­che­ne Buslinien sind Alltagserfahrungen der Menschen und erschüt­tern des­halb ziem­lich direkt dasVertrauen in poli­ti­sche Prozesse und Institutionen. Demokratie beginnt vor Ort.

Vor die­sem Hintergrund war die früh­zei­ti­ge Einrichtung der Zukunftskom­mis­si­on (und nicht bloß einerSparkommission!) aus unse­rer Sicht rich­tig und not­wen­dig. Über den Sommer hin­weg wur­den dort Vorschlägeerarbeitet, die zu einer Entlastung des Haushalts von rund 10 Millionen Euro geführt haben – fair ver­teilt über­al­le dis­po­niblen Bereiche. Positiv her­vor­he­ben möch­ten wir z.B. die Schulträgeraufgaben: Die Schulsanierungen kön­nen wie geplant fort­ge­setzt wer­den (es galt ja nicht nur spa­ren, son­dern auch schie­ben!). Hoffentlich am Ende finan­ziert aus dem Sondervermögen des Bundes (45 Mio. für den BSK), so dass die im Haushaltausgewiesene hohe Schuldenaufnahme deut­lich gerin­ger aus­fal­len kann. Genau dafür sind die­se Mittel gedacht: für gute Bildung und funk­tio­nie­ren­de Schulen.

Nicht alle Maßnahmen sind Stand heu­te bis ins letz­te Detail kon­kre­ti­siert, man­ches bewegt sich noch im Bereich von Zielsetzungen. Aber der ein­ge­schla­ge­ne Weg ist rich­tig. Deshalb gilt unser aus­drück­li­cher Dank allen­be­tei­lig­ten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in den Ämtern (v.a. natür­lich den Herren Lissner und Dillmann), die unter hohem Druck ver­ant­wor­tungs­voll die­se Vorschläge aus­ge­ar­bei­tet haben. Und auch aus­drück­li­chen Dank andie betei­lig­ten Ratskolleg:innen und zuvor­derst den Fraktionssprechern für die kon­struk­ti­ve Zusammenarbeit.

Ein Ergebnis der Zukunftskommission war dar­über hin­aus der Vorsatz, Beschlüsse künf­tig noch gründ­li­cher auf ihre finan­zi­el­len Auswirkungen zu prü­fen. Das unter­stüt­zen wir aus­drück­lich. Gleichzeitig regen wir an, die­sen Ansatz wei­ter­zu­ent­wi­ckeln – hin zu sys­te­ma­ti­schen Kosten-Nutzen-Analysen, die nicht nur mone­tä­reEffekte berück­sich­ti­gen. Denn poli­ti­sche Entscheidungen haben immer auch sozia­le, öko­lo­gi­sche und­ge­sell­schaft­li­che Folgen. Eine wesent­li­che Frage soll­te sein: Wer pro­fi­tiert? Viele – etwa beim öffent­li­chen Nahverkehr – oder nur weni­ge, wie beim Flughafen?

Energiesicherheit und Klimaschutz

Die CO₂-Bilanz unse­res Landkreises zeigt: Wir sind auf einem Weg, aber noch nicht am Ziel. Gerade bei den­ei­ge­nen Liegenschaften lie­gen gro­ße Potenziale – durch Sanierung der Gebäudehülle und die Umstellung derHeizsysteme. Klimaschutz und Wirtschaftlichkeit las­sen sich dabei sehr wohl zusam­men­den­ken. Die HeidelbergerStudie hat z.B. gezeigt, dass häu­fig geziel­te, mode­ra­te Maßnahmen das bes­se­re Verhältnis aus Investitionshöheund CO₂-Einsparung lie­fern – im Vergleich zu kost­spie­li­gen Vollsanierungen, ins­be­son­de­re wenn graue Energie und rea­les Nutzerverhalten (s. Prebound-Effekt) ehr­lich mit­ge­dacht werden.

Auf der letz­ten OEW-Gesellschafterversammlung haben wir gehört, dass sich erfreu­li­cher­wei­se die Energiewende doch deut­lich güns­ti­ger gestal­ten lässt. Die AURORA-Studie hat eini­ge hun­dert Mio.Einsparpotential berech­net. Zu den dar­aus abge­lei­te­ten Kurskorrekturen gehört z.B., statt eines Anteils von rund13 Prozent wie geplant künf­tig 77 Prozent mehr Gaskraftwerke zu betrei­ben. Dazu möch­ten wir anmer­ken: Sparen ist in die­sem Fall nicht die allei­ni­ge poli­ti­sche Kategorie. Energiepolitik muss immer drei Dimensionen zugleich berück­sich­ti­gen – das ist übri­gens auch die offi­zi­el­le Metastrategie der EnBW: Bezahlbarkeit,Energiesicherheit (geo­po­li­ti­sche Aspekte von Erdgas!) und Klimaschutz. Wer eine davon sys­te­ma­tisch ausblendet,trifft kei­ne wirk­lich nach­hal­ti­gen Entscheidungen.

Stationäre Gesundheitsversorgung im Landkreis

Dass für die anste­hen­de Neuordnung der Gesundheitsversorgung gera­de ein eige­ner Transformationsfonds zur Verfügung steht, ist erfreu­lich, bedeu­tet aber gleich­zei­tig auch: Jetzt ist die Stunde gekom­men, die­se Transformation tat­säch­lich anzu­ge­hen und nicht län­ger nur in den Kategorien einer ein­zel­nen Klinik zu denken.Ziel muss es sein, Synergien zu nut­zen und ein trag­fä­hi­ges, mög­lichst nach­hal­ti­ges Versorgungskonzept zu ent­wi­ckeln – idea­ler­wei­se auch über Landkreisgrenzen hin­weg. Die Herausforderungen derGesundheitsversorgung las­sen sich nicht mehr klein­tei­lig und iso­liert lösen. Für die Bevölkerung müs­sen aller­e­le­van­ten Leistungsgruppen vor Ort zugäng­lich blei­ben, und zugleich soll­te eine Profilbildung durch Spezialisierungen mög­lich sein. Bei sin­ken­den sta­tio­nä­ren Fallzahlen ist sicher eine wei­te­re Ambulantisierung, unter­stützt durch hybri­de DRGs, eine sinn­vol­le Entwicklung. Jede und jeder soll im Notfall schnell und gut ver­sorgt wer­den. Die Menschen dür­fen nicht das Gefühl haben, von der gesund­heit­li­chen Versorgung abge­hängt oder einer rein öko­no­mi­schen Logik geop­fert zu wer­den. Ältere Menschen und Menschen ohne Auto dür­fen nicht auf der Strecke blei­ben. Ehrlicherweise ist für den Behandlungserfolg in vie­len Fällen die Wahl der rich­ti­gen Klinik aller­dings ent­schei­den­der als die rei­ne Entfernung. Zentrale Aufgabe der Politik ist auch die Sicherung der Qualität durch Fachkräfte – da müs­sen wir für ent­spre­chend attrak­ti­ve Strukturen sor­gen. Und schließ­lich ist esauch Aufgabe der Politik, den finan­zi­el­len Aufwand für die betei­lig­ten kom­mu­na­len Haushalte kal­ku­lier­bar zuhal­ten und für eine pro­fes­sio­nel­le Steuerung des Versorgungsmanagements zu sor­gen. Das alles stellt sicher die­größ­te Herausforderung des nächs­ten Jahres dar!

Sozialhaushalt

Mit einem Anteil von knapp über 60 Prozent an unse­rem Gesamthaushalt ist der Sozialhaushalt nicht nur zah­len­mä­ßig, son­dern auch poli­tisch und gesell­schaft­lich von zen­tra­ler Bedeutung.

In der Eingliederungshilfe nach SGB IX steigt der Nettoressourcenbedarf um rund 11 Millionen Euro. Ursache sind nicht höhe­re Leistungen an die Leistungsberechtigten, son­dern vor allem Bürokratie. Das Instrument zurBedarfsfeststellung hat sich als wah­res Bürokratiemonster erwie­sen. Unsere kla­re Haltung lau­tet des­halb hier:Bürokratie abbau­en – nicht Leistungen kür­zen (weder Fallzahlenschlüssel noch Kontaktdichte angreifen).

Und weil es eine HH-Rede ist, noch eine volks­wirt­schaft­li­che Betrachtung dazu: Untersuchungen zum „SocialReturn on Investment“ (Sozialrendite) konn­ten zei­gen, dass sich zwi­schen 60 und 80 Prozent der Sozialausgaben durch Steuern, Beiträge und Abgaben refi­nan­zie­ren – und das ohne die Kosten zu berück­sich­ti­gen, die durch­so­zia­le Dienstleistungen über­haupt erst ver­mie­den wer­den. Darüber hin­aus erwirt­schaf­tet die Sozialwirtschaftrund 40 Prozent des Bruttosozialprodukts und ist ein zen­tra­ler Arbeitgeber. Sozialausgaben sind also kei­ne blo­ßen staat­li­chen Konsumausgaben in eine angeb­lich nicht mess­ba­re Wohlfahrt, son­dern Investitionen mit nach­weis­ba­rer mone­tä­rer Wirkung.

Verkehrsinfrastruktur: Bodenseegürtelbahn und Flughafen

Der Flughafen ist ein Projekt, das seit Jahren erheb­li­che öffent­li­che Mittel bin­det – mit einem sehr begrenz­ten Nutzen für einen klei­nen Kreis von Nutzerinnen und Nutzern. Seine wirt­schaft­li­chen Effekte blei­ben über­schau­bar, sei­ne Zukunftsperspektiven unsi­cher, und die erhoff­ten Innovationssprünge sind bis­lang nicht belast­bar belegt.

Der Verkehrsforscher Professor Eisenkopf von der Zeppelin Universität sagt viel­mehr: Ein Flughafen, der kaum genutzt wird, erzeugt kei­ne Produktivitätssteigerungen. Das dort ein­ge­setz­te Geld wäre im öffentlichenNahverkehr, in Bildung oder in der Digitalisierung bes­ser inves­tiert. Auch dort ent­ste­hen Arbeitsplätze undWertschöpfung – das Geld ver­schwin­det ja nicht, nur weil man es nicht in den Flughafen steckt.

Mit der Unterstützung des Bundes durch die Aufstockung der Mittel für die Flugsicherung regio­na­ler Flughäfen wer­den Mittel aus dem Sondervermögen für kon­sum­ti­ve Zwecke ver­wen­det! Das ist genau das, was eigent­lich nicht pas­sie­ren darf! Dazu – eben­so wie zur Senkung der Flugsteuer – haben sich bereits die renom­mier­tes­ten Wirtschaftswissenschaftler unse­res Landes sehr kri­tisch geäußert.

Wir als Fraktion müs­sen des­halb gar nicht abwar­ten, wie vie­le der gestell­ten Bedingungen der Flughafenletztlich nicht erfül­len wird. Unsere Haltung ist seit jeher klar und ein­deu­tig: Kein wei­te­res Steuergeld für die­sen Flughafen – über das bereits Beschlossene hinaus.

Die Bodenseegürtelbahn steht dem als genau­es Gegenmodell gegen­über. Sie ist kein Prestigeprojekt, sondernAlltagsinfrastruktur und soli­de Daseinsvorsorge. Sie wird täg­lich von vie­len Menschen genutzt: vonPendlerinnen und Pendlern, von Schülerinnen und Schülern, von Auszubildenden, von älte­ren Menschen. Sieverbindet Gemeinden, ent­las­tet Straßen und macht Mobilität auch ohne Auto möglich.

Während der Flughafen dau­er­haft Zuschüsse benö­tigt, ist die Bodenseegürtelbahn eine Investition mit­lang­fris­ti­ger Wirkung. Sie stärkt den Arbeitsmarkt, erhöht die Standortattraktivität und trägt mess­bar zurVerkehrsverlagerung auf die Schiene bei. Klimaschutz ent­steht hier nicht durch Verzicht, son­dern durch ein­bes­se­res Angebot. An die­ser Stelle dan­ken wir aus­drück­lich Verkehrsminister Hermann, der die Finanzierung maß­geb­lich unter­stützt hat.

Fazit:

Gerade in einem Jahr wie die­sem, in dem wir finan­zi­ell schmerz­haf­te Entscheidungen tref­fen müs­sen, zeigt sich, dass Politik oft weni­ger mit gro­ßen Worten zu tun hat als mit dem sorg­fäl­ti­gen Abwägen des Möglichen. Umwelt– und Klimaschutz gehö­ren dabei nicht in eine mora­li­sche Schublade (oder „nice to have“). Wir wis­sen, dass vie­le Maßnahmen erst in der Zukunft wir­ken und dass die­je­ni­gen, die davon pro­fi­tie­ren, uns heu­te nicht­ge­gen­über­ste­hen. Es gibt mitt­ler­wei­le auch genü­gend empi­ri­sche Evidenz dafür, dass Investitionen in Umwelt- und Klimaschutz ein Vielfaches an Folgekosten ver­hin­dern, also letzt­lich v.a. öko­no­misch bedeut­sam sind. Die Gelder aus dem Sondervermögen wol­len wir so nut­zen, dass die nach­fol­gen­den Generationen einen echtenMehrwert haben, indem wir ihnen z.B. sanier­te Immobilien über­ge­ben, die es ihnen durch gerin­ge Energiekostenermöglichen, die Schulden, die wir jetzt machen müs­sen, auch zu tilgen.

Lassen Sie uns daher die­sen Haushalt nicht als Kapitulation vor den Herausforderungen ver­ste­hen, son­dern als­nüch­ter­nen, aber hoff­nungs­vol­len Zwischenschritt. Als Zeichen, dass wir gemein­sam auch unter schwie­ri­gen Bedingungen Kurs hal­ten kön­nen — prag­ma­tisch, ver­ant­wor­tungs­be­wusst und in der Überzeugung, dass eine lebens­wer­te Zukunft kei­ne abs­trak­te Idee ist, son­dern etwas, das wir hier vor Ort jeden Tag ein Stück mitgestalten.

Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen stimmt dem Haushaltsplan 2026 geschlos­sen zu.