(16. Dezember, Kreistagssitzung) – es gilt das gesprochene Wort
Silvia Queri (Fraktionssprecherin)
Sehr geehrter Herr Landrat, Damen und Herren der Verwaltung, Pressevertreter:innen, Ratskolleg:innen, sehr geehrte Bürgerinnen und Bürger.
Ich spare mir das konkrete Zahlenwerk, das hat – wie erwartet – Kollege Wengert perfekt dargestellt, ich möchte nachfolgend einzelne thematische Punkte aufgreifen, die aus unserer Sicht haushaltswirksam sind.
Grundsätzliches: Das Defizit der kommunalen Haushalte von rund 30 Milliarden Euro ist beängstigend. Als eine zentrale Ursache wird die Vielzahl von Aufgaben genannt, die Bund und Länder an die Kommunen übertragen haben. Diese erzeugen immer mehr bürokratischen Aufwand und damit Personalbedarf. Hinzu kommen verspätete und komplizierte Abrechnungsverfahren, die Haushaltsklarheit verhindern und die ohnehin schon existierende strukturelle Unterfinanzierung der Kommunen weiter verschärfen.
Einsparungen im Haushalt können allerdings nur ein Lösungs-Ansatz von mehreren sein, sonst schaden sie derdemokratischen Stabilität in unserem Land. Denn marode Schulen, geschlossene Schwimmbäder und gestrichene Buslinien sind Alltagserfahrungen der Menschen und erschüttern deshalb ziemlich direkt dasVertrauen in politische Prozesse und Institutionen. Demokratie beginnt vor Ort.
Vor diesem Hintergrund war die frühzeitige Einrichtung der Zukunftskommission (und nicht bloß einerSparkommission!) aus unserer Sicht richtig und notwendig. Über den Sommer hinweg wurden dort Vorschlägeerarbeitet, die zu einer Entlastung des Haushalts von rund 10 Millionen Euro geführt haben – fair verteilt überalle disponiblen Bereiche. Positiv hervorheben möchten wir z.B. die Schulträgeraufgaben: Die Schulsanierungen können wie geplant fortgesetzt werden (es galt ja nicht nur sparen, sondern auch schieben!). Hoffentlich am Ende finanziert aus dem Sondervermögen des Bundes (45 Mio. für den BSK), so dass die im Haushaltausgewiesene hohe Schuldenaufnahme deutlich geringer ausfallen kann. Genau dafür sind diese Mittel gedacht: für gute Bildung und funktionierende Schulen.
Nicht alle Maßnahmen sind Stand heute bis ins letzte Detail konkretisiert, manches bewegt sich noch im Bereich von Zielsetzungen. Aber der eingeschlagene Weg ist richtig. Deshalb gilt unser ausdrücklicher Dank allenbeteiligten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in den Ämtern (v.a. natürlich den Herren Lissner und Dillmann), die unter hohem Druck verantwortungsvoll diese Vorschläge ausgearbeitet haben. Und auch ausdrücklichen Dank andie beteiligten Ratskolleg:innen und zuvorderst den Fraktionssprechern für die konstruktive Zusammenarbeit.
Ein Ergebnis der Zukunftskommission war darüber hinaus der Vorsatz, Beschlüsse künftig noch gründlicher auf ihre finanziellen Auswirkungen zu prüfen. Das unterstützen wir ausdrücklich. Gleichzeitig regen wir an, diesen Ansatz weiterzuentwickeln – hin zu systematischen Kosten-Nutzen-Analysen, die nicht nur monetäreEffekte berücksichtigen. Denn politische Entscheidungen haben immer auch soziale, ökologische undgesellschaftliche Folgen. Eine wesentliche Frage sollte sein: Wer profitiert? Viele – etwa beim öffentlichen Nahverkehr – oder nur wenige, wie beim Flughafen?
Energiesicherheit und Klimaschutz
Die CO₂-Bilanz unseres Landkreises zeigt: Wir sind auf einem Weg, aber noch nicht am Ziel. Gerade bei deneigenen Liegenschaften liegen große Potenziale – durch Sanierung der Gebäudehülle und die Umstellung derHeizsysteme. Klimaschutz und Wirtschaftlichkeit lassen sich dabei sehr wohl zusammendenken. Die HeidelbergerStudie hat z.B. gezeigt, dass häufig gezielte, moderate Maßnahmen das bessere Verhältnis aus Investitionshöheund CO₂-Einsparung liefern – im Vergleich zu kostspieligen Vollsanierungen, insbesondere wenn graue Energie und reales Nutzerverhalten (s. Prebound-Effekt) ehrlich mitgedacht werden.
Auf der letzten OEW-Gesellschafterversammlung haben wir gehört, dass sich erfreulicherweise die Energiewende doch deutlich günstiger gestalten lässt. Die AURORA-Studie hat einige hundert Mio.Einsparpotential berechnet. Zu den daraus abgeleiteten Kurskorrekturen gehört z.B., statt eines Anteils von rund13 Prozent wie geplant künftig 77 Prozent mehr Gaskraftwerke zu betreiben. Dazu möchten wir anmerken: Sparen ist in diesem Fall nicht die alleinige politische Kategorie. Energiepolitik muss immer drei Dimensionen zugleich berücksichtigen – das ist übrigens auch die offizielle Metastrategie der EnBW: Bezahlbarkeit,Energiesicherheit (geopolitische Aspekte von Erdgas!) und Klimaschutz. Wer eine davon systematisch ausblendet,trifft keine wirklich nachhaltigen Entscheidungen.
Stationäre Gesundheitsversorgung im Landkreis
Dass für die anstehende Neuordnung der Gesundheitsversorgung gerade ein eigener Transformationsfonds zur Verfügung steht, ist erfreulich, bedeutet aber gleichzeitig auch: Jetzt ist die Stunde gekommen, diese Transformation tatsächlich anzugehen und nicht länger nur in den Kategorien einer einzelnen Klinik zu denken.Ziel muss es sein, Synergien zu nutzen und ein tragfähiges, möglichst nachhaltiges Versorgungskonzept zu entwickeln – idealerweise auch über Landkreisgrenzen hinweg. Die Herausforderungen derGesundheitsversorgung lassen sich nicht mehr kleinteilig und isoliert lösen. Für die Bevölkerung müssen allerelevanten Leistungsgruppen vor Ort zugänglich bleiben, und zugleich sollte eine Profilbildung durch Spezialisierungen möglich sein. Bei sinkenden stationären Fallzahlen ist sicher eine weitere Ambulantisierung, unterstützt durch hybride DRGs, eine sinnvolle Entwicklung. Jede und jeder soll im Notfall schnell und gut versorgt werden. Die Menschen dürfen nicht das Gefühl haben, von der gesundheitlichen Versorgung abgehängt oder einer rein ökonomischen Logik geopfert zu werden. Ältere Menschen und Menschen ohne Auto dürfen nicht auf der Strecke bleiben. Ehrlicherweise ist für den Behandlungserfolg in vielen Fällen die Wahl der richtigen Klinik allerdings entscheidender als die reine Entfernung. Zentrale Aufgabe der Politik ist auch die Sicherung der Qualität durch Fachkräfte – da müssen wir für entsprechend attraktive Strukturen sorgen. Und schließlich ist esauch Aufgabe der Politik, den finanziellen Aufwand für die beteiligten kommunalen Haushalte kalkulierbar zuhalten und für eine professionelle Steuerung des Versorgungsmanagements zu sorgen. Das alles stellt sicher diegrößte Herausforderung des nächsten Jahres dar!
Sozialhaushalt
Mit einem Anteil von knapp über 60 Prozent an unserem Gesamthaushalt ist der Sozialhaushalt nicht nur zahlenmäßig, sondern auch politisch und gesellschaftlich von zentraler Bedeutung.
In der Eingliederungshilfe nach SGB IX steigt der Nettoressourcenbedarf um rund 11 Millionen Euro. Ursache sind nicht höhere Leistungen an die Leistungsberechtigten, sondern vor allem Bürokratie. Das Instrument zurBedarfsfeststellung hat sich als wahres Bürokratiemonster erwiesen. Unsere klare Haltung lautet deshalb hier:Bürokratie abbauen – nicht Leistungen kürzen (weder Fallzahlenschlüssel noch Kontaktdichte angreifen).
Und weil es eine HH-Rede ist, noch eine volkswirtschaftliche Betrachtung dazu: Untersuchungen zum „SocialReturn on Investment“ (Sozialrendite) konnten zeigen, dass sich zwischen 60 und 80 Prozent der Sozialausgaben durch Steuern, Beiträge und Abgaben refinanzieren – und das ohne die Kosten zu berücksichtigen, die durchsoziale Dienstleistungen überhaupt erst vermieden werden. Darüber hinaus erwirtschaftet die Sozialwirtschaftrund 40 Prozent des Bruttosozialprodukts und ist ein zentraler Arbeitgeber. Sozialausgaben sind also keine bloßen staatlichen Konsumausgaben in eine angeblich nicht messbare Wohlfahrt, sondern Investitionen mit nachweisbarer monetärer Wirkung.
Verkehrsinfrastruktur: Bodenseegürtelbahn und Flughafen
Der Flughafen ist ein Projekt, das seit Jahren erhebliche öffentliche Mittel bindet – mit einem sehr begrenzten Nutzen für einen kleinen Kreis von Nutzerinnen und Nutzern. Seine wirtschaftlichen Effekte bleiben überschaubar, seine Zukunftsperspektiven unsicher, und die erhofften Innovationssprünge sind bislang nicht belastbar belegt.
Der Verkehrsforscher Professor Eisenkopf von der Zeppelin Universität sagt vielmehr: Ein Flughafen, der kaum genutzt wird, erzeugt keine Produktivitätssteigerungen. Das dort eingesetzte Geld wäre im öffentlichenNahverkehr, in Bildung oder in der Digitalisierung besser investiert. Auch dort entstehen Arbeitsplätze undWertschöpfung – das Geld verschwindet ja nicht, nur weil man es nicht in den Flughafen steckt.
Mit der Unterstützung des Bundes durch die Aufstockung der Mittel für die Flugsicherung regionaler Flughäfen werden Mittel aus dem Sondervermögen für konsumtive Zwecke verwendet! Das ist genau das, was eigentlich nicht passieren darf! Dazu – ebenso wie zur Senkung der Flugsteuer – haben sich bereits die renommiertesten Wirtschaftswissenschaftler unseres Landes sehr kritisch geäußert.
Wir als Fraktion müssen deshalb gar nicht abwarten, wie viele der gestellten Bedingungen der Flughafenletztlich nicht erfüllen wird. Unsere Haltung ist seit jeher klar und eindeutig: Kein weiteres Steuergeld für diesen Flughafen – über das bereits Beschlossene hinaus.
Die Bodenseegürtelbahn steht dem als genaues Gegenmodell gegenüber. Sie ist kein Prestigeprojekt, sondernAlltagsinfrastruktur und solide Daseinsvorsorge. Sie wird täglich von vielen Menschen genutzt: vonPendlerinnen und Pendlern, von Schülerinnen und Schülern, von Auszubildenden, von älteren Menschen. Sieverbindet Gemeinden, entlastet Straßen und macht Mobilität auch ohne Auto möglich.
Während der Flughafen dauerhaft Zuschüsse benötigt, ist die Bodenseegürtelbahn eine Investition mitlangfristiger Wirkung. Sie stärkt den Arbeitsmarkt, erhöht die Standortattraktivität und trägt messbar zurVerkehrsverlagerung auf die Schiene bei. Klimaschutz entsteht hier nicht durch Verzicht, sondern durch einbesseres Angebot. An dieser Stelle danken wir ausdrücklich Verkehrsminister Hermann, der die Finanzierung maßgeblich unterstützt hat.
Fazit:
Gerade in einem Jahr wie diesem, in dem wir finanziell schmerzhafte Entscheidungen treffen müssen, zeigt sich, dass Politik oft weniger mit großen Worten zu tun hat als mit dem sorgfältigen Abwägen des Möglichen. Umwelt– und Klimaschutz gehören dabei nicht in eine moralische Schublade (oder „nice to have“). Wir wissen, dass viele Maßnahmen erst in der Zukunft wirken und dass diejenigen, die davon profitieren, uns heute nichtgegenüberstehen. Es gibt mittlerweile auch genügend empirische Evidenz dafür, dass Investitionen in Umwelt- und Klimaschutz ein Vielfaches an Folgekosten verhindern, also letztlich v.a. ökonomisch bedeutsam sind. Die Gelder aus dem Sondervermögen wollen wir so nutzen, dass die nachfolgenden Generationen einen echtenMehrwert haben, indem wir ihnen z.B. sanierte Immobilien übergeben, die es ihnen durch geringe Energiekostenermöglichen, die Schulden, die wir jetzt machen müssen, auch zu tilgen.
Lassen Sie uns daher diesen Haushalt nicht als Kapitulation vor den Herausforderungen verstehen, sondern alsnüchternen, aber hoffnungsvollen Zwischenschritt. Als Zeichen, dass wir gemeinsam auch unter schwierigen Bedingungen Kurs halten können — pragmatisch, verantwortungsbewusst und in der Überzeugung, dass eine lebenswerte Zukunft keine abstrakte Idee ist, sondern etwas, das wir hier vor Ort jeden Tag ein Stück mitgestalten.
Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen stimmt dem Haushaltsplan 2026 geschlossen zu.