Wir als Vertreterinnen von Bündnis90/Die Grünen begrüßen grundsätzlich alle Ansätze, die Familien stärken, ihre Partizipation fördern und Hilfeprozesse in der Jugendhilfe verbessern wollen. Das Konzept eines Familienrats kann – richtig umgesetzt – einen wichtigen Beitrag dazu leisten.
Trotzdem konnten wir dem vorgestellten Konzept in der aktuellen Form nicht zustimmen und haben uns daher mit der „Tendenz zur Ablehnung“ enthalten. Diese Entscheidung möchten wir begründen:
- Erfahrungen aus anderen Regionen
Berichte aus bestehenden Projekten in Bayern und Stuttgart zeigen, dass dortige Familienräte mehrfach tagen (Folie 5 Präsentation JA: „Der Familienrat selbst ist eine einmalige Konferenz…“). Dies erscheint uns auch fachlich sinnvoll, da Problemlösungen im familiären Kontext selten mit einem einmaligen Treffen abgeschlossen sind. Sie erfordern Feedbackschleifen, Nachsteuerungen und eine laufende Überprüfung, ob die gemeinsam gefundenen Lösungen tatsächlich tragen.
In dem uns vorliegenden Konzept des Jugendamtes ist dagegen vorgesehen, dass der Familienrat einmaligtagt. Aus unserer Sicht widerspricht dies dem dynamischen Charakter von Hilfeprozessen. - Verpflichtender Charakter und mögliche Folgen
Besonders kritisch sehen wir den auf Folie 5 der Präsentation genannten Satz:
„Vor der Einleitung von Jugendhilfeleistungen nach §§ 27 ff. und § 35a SGB VIII müssen Familienräte stattgefunden haben.“
Diese Formulierung begründet de facto eine Verpflichtung. Wir befürchten, dass dadurch notwendige Hilfen verzögert werden – insbesondere bei Fällen nach § 35a SGB VIII, bei denen psychische Belastungen oder Krisen vorliegen. Jede Verzögerung kann hier zu einer Verschlimmerung oder Eskalation der Problematik führen und den Hilfebedarf letztlich erhöhen.
Die Aussage der Amtsleitung, es gäbe keine Sanktionen bei Ablehnung eines Familienrats, halten wir in dieser Form nicht für belastbar. Eine Verpflichtung ohne jede Konsequenz ist in sich widersprüchlich; eine mit nicht transparenten Konsequenzen hingegen aus unserer Sicht problematisch.
- Freiwilligkeit und Verbindlichkeit
Auch die Formulierung „Die Ergebnisse des Familienrats sind verbindlich“ (ebenfalls Folie 5) wirft Fragen auf. Wenn der Familienrat auf Freiwilligkeit beruhen soll, widerspricht eine solche Verbindlichkeit diesem Grundgedanken. Zudem ist sie fachlich fragwürdig, weil Problemlagen sich weiterentwickeln und Lösungen regelmäßig überprüft werden müssen (s.o.). - Auswahl des Trägers
Weiterhin bedauern wir, dass bereits ein konkreter Träger für die Durchführung vorgesehen wurde, ohne dass ein offenes, transparentes Auswahlverfahren stattgefunden hat. Im Kreis gibt es mehrere geeignete Träger – ein fairer Wettbewerb wäre aus unserer Sicht wünschenswert gewesen. - Erwartungen an die Evaluation
Unser Augenmerk wird nun besonders auf der Evaluation liegen. Entscheidend ist, dass dabei nicht nur organisatorische oder wirtschaftliche Aspekte (z. B. Fallzahlreduzierung) betrachtet werden, sondern die eigentliche Frage:
Werden Familien wirklich gestärkt, empowert, erleben sie mehr Partizipation und natürlich werden die Probleme adäquat gelöst?
Nur dann kann von einem erfolgreichen Projekt gesprochen werden.
Angesichts der genannten Punkte und der noch ausstehenden belastbaren Evaluationen aus anderen Regionen sehen wir derzeit nicht, dass das Konzept in der vorliegenden Form die gleichen positiven Effekte erzielen kann, wie sie andernorts berichtet werden.
Deshalb haben sich die Vertreterinnen der Fraktion im JHA von Bündnis90/Die Grünen (Sarah Kessler/Silvia Queri) enthalten.