Grundsteuer – wie geht es weiter?

Grundsteuerbescheid
Grundsteuerbescheid

(hs, 21.03.)

Zunächst etwas ganz Grundsätzliches, näm­lich der begriff­li­chen Unterscheidung zwi­schen den ein­zel­nen Arten von Abgaben, näm­lich Steuern, Gebühren und Beiträgen.

Steuern (wie die Grundsteuer) sind Geldleistungen, die kei­ne Gegenleistung erfor­dern. Sie sind nicht zweck­ge­bun­den, son­dern die­nen der Deckung des Finanzbedarfs einer Gemeinde ganz all­ge­mein. Steuern wer­den kei­ner kon­kre­ten Ausgabe zugeordnet.

Gebühren wer­den für beson­de­re Leistungen oder die Inanspruchnahme von öffent­li­chen Einrichtungen erho­ben, zwi­schen Gebühr und Gegenleistung besteht ein direk­ter Zusammenhang. Nur wer die Gegenleistung in Anspruch nimmt, muss die Gebühr bezah­len. Beispiele sind Kindergartengebühren, Gebühren für Müllabfuhr, Trinkwasser und Abwasserbeseitigung, Friedhofsgebühren, Verwaltungsgebühren für Beurkunden, Baugenehmigungen, Passgebühren usw.

Beiträge sind Geldleistungen als Aufwandsersatz für die Herstellung, Anschaffung und Erweiterung öffent­li­cher Einrichtung und Anlagen, also z.B. die Erschließungskosten bei eines Baugebiets, Straßenanliegerbeiträge. Unterschied zu den Gebühren ist, dass nicht nur die­je­ni­gen, die Beiträge bezahlt haben, die öffent­li­che Einrichtung benut­zen dür­fen, son­dern auch ande­re. Zum Beispiel dür­fen auf einer Straße, für die die Anlieger Straßenanliegerbeiträge bezahlt haben, nicht nur die Anlieger fah­ren, son­dern auch andere.

Während sich Gebühren und Beiträge stark an den kon­kre­ten ori­en­tie­ren, wer­den Steuern in ihrer Höhe abs­trakt berech­net. Eine kon­kre­te Verknüpfung zu ein­zel­nen Ausgaben gibt es hier nicht. Wichtig ist hier jedoch der Gleichbehandlungsgrundsatz. Steuern müs­sen für alle nach dem glei­chen Berechnungsschema berech­net wer­den.
Und hier kom­men wir zu einem wich­ti­gen Punkt im Zusammenhang mit der Grundsteuer. In der Vergangenheit wur­de der Berechnung der Grundsteuer ein Grundstückswert zugrun­de gelegt, der in einer Region aus den 60er Jahren stamm­te, in ande­ren Regionen aus den 90er. Das hat das Bundesverfassungsgericht 2018 für ver­fas­sungs­wid­rig erklärt, wes­halb es zu einer Änderung des Systems der Grundsteuer gekom­men ist.

Ein wei­te­rer wich­ti­ger Punkt: Wenn sich an einem Grundstück bau­lich nichts ver­än­dert hat­te, blieb in der Vergangenheit die Grundsteuer solan­ge gleich hoch, bis die Gemeinde den soge­nann­ten Hebesatz geän­dert hat. In wur­de die­ser Hebesatz vor der jet­zi­gen Reform im Jahre 2010 erhöht. Wer also z.B. seit 2010 auf einem Grundstück z.B. mit einem Einfamilienhaus gewohnt hat und 2010 bei­spiels­wei­se 400 € Grundsteuer bezah­len muss­te, zahl­te auch noch 400 € Grundsteuer.

Und hier gibt es einen wesent­li­chen Unterschied zu ande­ren Steuern wie z.B. der Mehrwertsteuer oder der Einkommenssteuer. Wer z.B. im Jahr 2010 einen Warenkorb für 1.000 € Netto-Warenwert ein­kauf­te, zahl­te 2010 dar­auf 19 % Mehrwertsteuer, also 190 €. Im Jahr 2024 ent­fie­len auf die­sen Warenkorb immer noch 19 % Mehrwertsteuer, aber der Warenkorb hat sich auf­grund der Inflation auf net­to 1.354, 14 € ver­teu­ert und damit fie­len dar­auf 257,29 € Mehrwertsteuer an, also 67,29 € Mehrwertsteuer mehr als noch 2010, obwohl sich der Mehrwertsteuersatz von 19 % nicht ver­än­dert hat.

Das bedeu­tet, dass sich Einnahmen aus Steuern, die sich an Preisen oder Einkommen ori­en­tie­ren, ganz auto­ma­tisch erhö­hen, ohne dass die Steuer ange­passt wer­den muss.

Und das war ein Problem bei der Grundsteuer. Sie nahm nicht an der Inflation teil. Wurde der Hebesatz nicht regel­mä­ßig der Inflation ange­passt, waren die Grundsteuereinnahmen von Jahr zu Jahr weni­ger wert, die Kommune konn­te damit immer weni­ger sei­nen all­ge­mei­nen Finanzbedarf decken.

Am Beispiel Tettnang bedeu­te­te dies fol­gen­des. Im Jahr 2010, also der letz­ten Anpassung des Grundsteuerhebesatzes, lag nach dem Bundesamt für der Verbraucherpreisindex (2020 = 100) bei 88,1. Im Jahr 2024 lag er bei 119,3.
Wenn die Einnahmen aus der Grundsteuer also im Jahr 2010 bei­spiels­wei­se 3 Mill. Euro betru­gen, dann betru­gen Sie im Jahr 2024 immer noch 3 Mill. Euro. Um jedoch damit das glei­che wie 2010 finan­zie­ren zu kön­nen, hät­ten die­se Einnahmen 4,06 Mill. € betra­gen müs­sen, also 1 Mill. Euro mehr. Zur Finanzierung der glei­chen Aufgaben fehl­te der Kommune 2024 also allein in einem Jahr 1 Mill. Euro gegen­über 2010.

Bei der Mehrwertsteuer erfolg­te die­se Erhöhung ganz auto­ma­tisch, bei der Grundsteuer nicht.

Zu dem Punkt, dass die letz­te Anpassung der Grundsteuer in Tettnang im Jahr 2010 erfolg­te und man seit 2018 ange­sichts des Urteils des Verfassungsgerichts die ver­fas­sungs­wid­ri­ge Grundsteuer wei­ter nicht erhö­hen woll­te, kam dann bei der Grundsteuerreform „von oben“ noch das Versprechen dazu, dass die Reform der Grundsteuer „auf­kom­mens­neu­tral“ sein soll, dass also die Gemeinden im Jahr 2025 in der Summe nicht mehr Grundsteuer ein­neh­men sol­len, als im Vorjahr. Eine Inflationsanpassung war also erneut nicht möglich.

„Aufkommensneutral“ bedeu­tet aber nicht, dass bei allen Steuerpflichtigen die Grundsteuer wie­der gleich hoch sein soll­te. Hier kam es durch­aus zu Verschiebungen. Während Wohnungseigentümer in einem grö­ße­ren Wohnblock künf­tig deut­lich weni­ger Grundsteuer bezah­len müs­sen, erhöht sich die­se bei vie­len Häusle-Besitzer mit gro­ßem Grundstück in guter Lage. Aufkommensneutral hieß ledig­lich, dass die Summe der Grundsteuer-Einnahmen einer Gemeinde nicht höher sein soll­te, als im Vorjahr.

Damit die Einnahmen über die Grundsteuer wie­der auf dem Niveau von 2010 gewe­sen wären, hät­te der Grundsteuerhebesatz in Tettnang nicht 200 %, son­dern 267 % betra­gen müs­sen. Nur mit einem sol­chen Hebesatz wären die 4 Million aus obi­ger Beispielsrechnung zusammengekommen.

Fazit: Um sei­ne seit 2010 infla­ti­ons­be­dingt gestie­ge­nen Ausgaben finan­zie­ren zu kön­nen, wird Tettnang also gar nicht umhin­kom­men kön­nen, als das zwi­schen 2010 und 2024 ent­stan­de­ne Loch zu stop­fen, also den Hebesatz der Inflation anzu­pas­sen und zu erhöhen.

Nach dem neu­en System der Grundsteuer wird dann künf­tig eine sol­che Inflationsanpassung über den Hebesatz nicht mehr not­wen­dig sein. Der Berechnung der Grundsteuer lie­gen nun­mehr die soge­nann­ten „Bodenrichtwerte“ zugrun­de und die­se wer­den alle sie­ben Jahre über­prüft, neu fest­ge­legt und flie­ßen in die Berechnung der Grundsteuer ein. Wenn also ein Grundstück eine Wertsteigerung erfährt, dann wirkt sich die­se künf­tig auch ohne Änderung des Hebesatzes auf die Höhe der Grundsteuer aus. So nimmt nach dem neu­en System auch die Grundsteuer an der Preissteigerung, der Inflation teil.

Bildquellen

  • Grundsteuerbescheid: Hans Schöpf