(hs, 21.03.2025)
Zunächst etwas ganz Grundsätzliches, nämlich der begrifflichen Unterscheidung zwischen den einzelnen Arten von Abgaben, nämlich Steuern, Gebühren und Beiträgen.
Steuern (wie die Grundsteuer) sind Geldleistungen, die keine Gegenleistung erfordern. Sie sind nicht zweckgebunden, sondern dienen der Deckung des Finanzbedarfs einer Gemeinde ganz allgemein. Steuern werden keiner konkreten Ausgabe zugeordnet.
Gebühren werden für besondere Leistungen oder die Inanspruchnahme von öffentlichen Einrichtungen erhoben, zwischen Gebühr und Gegenleistung besteht ein direkter Zusammenhang. Nur wer die Gegenleistung in Anspruch nimmt, muss die Gebühr bezahlen. Beispiele sind Kindergartengebühren, Gebühren für Müllabfuhr, Trinkwasser und Abwasserbeseitigung, Friedhofsgebühren, Verwaltungsgebühren für Beurkunden, Baugenehmigungen, Passgebühren usw.
Beiträge sind Geldleistungen als Aufwandsersatz für die Herstellung, Anschaffung und Erweiterung öffentlicher Einrichtung und Anlagen, also z.B. die Erschließungskosten bei eines Baugebiets, Straßenanliegerbeiträge. Unterschied zu den Gebühren ist, dass nicht nur diejenigen, die Beiträge bezahlt haben, die öffentliche Einrichtung benutzen dürfen, sondern auch andere. Zum Beispiel dürfen auf einer Straße, für die die Anlieger Straßenanliegerbeiträge bezahlt haben, nicht nur die Anlieger fahren, sondern auch andere.
Während sich Gebühren und Beiträge stark an den konkreten Kosten orientieren, werden Steuern in ihrer Höhe abstrakt berechnet. Eine konkrete Verknüpfung zu einzelnen Ausgaben gibt es hier nicht. Wichtig ist hier jedoch der Gleichbehandlungsgrundsatz. Steuern müssen für alle nach dem gleichen Berechnungsschema berechnet werden.
Und hier kommen wir zu einem wichtigen Punkt im Zusammenhang mit der Grundsteuer. In der Vergangenheit wurde der Berechnung der Grundsteuer ein Grundstückswert zugrunde gelegt, der in einer Region aus den 60er Jahren stammte, in anderen Regionen aus den 90er. Das hat das Bundesverfassungsgericht 2018 für verfassungswidrig erklärt, weshalb es zu einer Änderung des Systems der Grundsteuer gekommen ist.
Ein weiterer wichtiger Punkt: Wenn sich an einem Grundstück baulich nichts verändert hatte, blieb in der Vergangenheit die Grundsteuer solange gleich hoch, bis die Gemeinde den sogenannten Hebesatz geändert hat. In Tettnang wurde dieser Hebesatz vor der jetzigen Reform im Jahre 2010 erhöht. Wer also z.B. seit 2010 auf einem Grundstück z.B. mit einem Einfamilienhaus gewohnt hat und 2010 beispielsweise 400 € Grundsteuer bezahlen musste, zahlte auch 2024 noch 400 € Grundsteuer.
Und hier gibt es einen wesentlichen Unterschied zu anderen Steuern wie z.B. der Mehrwertsteuer oder der Einkommenssteuer. Wer z.B. im Jahr 2010 einen Warenkorb für 1.000 € Netto-Warenwert einkaufte, zahlte 2010 darauf 19 % Mehrwertsteuer, also 190 €. Im Jahr 2024 entfielen auf diesen Warenkorb immer noch 19 % Mehrwertsteuer, aber der Warenkorb hat sich aufgrund der Inflation auf netto 1.354, 14 € verteuert und damit fielen darauf 257,29 € Mehrwertsteuer an, also 67,29 € Mehrwertsteuer mehr als noch 2010, obwohl sich der Mehrwertsteuersatz von 19 % nicht verändert hat.
Das bedeutet, dass sich Einnahmen aus Steuern, die sich an Preisen oder Einkommen orientieren, ganz automatisch erhöhen, ohne dass die Steuer angepasst werden muss.
Und das war ein Problem bei der Grundsteuer. Sie nahm nicht an der Inflation teil. Wurde der Hebesatz nicht regelmäßig der Inflation angepasst, waren die Grundsteuereinnahmen von Jahr zu Jahr weniger wert, die Kommune konnte damit immer weniger seinen allgemeinen Finanzbedarf decken.
Am Beispiel Tettnang bedeutete dies folgendes. Im Jahr 2010, also der letzten Anpassung des Grundsteuerhebesatzes, lag nach dem Bundesamt für Statistik der Verbraucherpreisindex (2020 = 100) bei 88,1. Im Jahr 2024 lag er bei 119,3.
Wenn die Einnahmen aus der Grundsteuer also im Jahr 2010 beispielsweise 3 Mill. Euro betrugen, dann betrugen Sie im Jahr 2024 immer noch 3 Mill. Euro. Um jedoch damit das gleiche wie 2010 finanzieren zu können, hätten diese Einnahmen 4,06 Mill. € betragen müssen, also 1 Mill. Euro mehr. Zur Finanzierung der gleichen Aufgaben fehlte der Kommune 2024 also allein in einem Jahr 1 Mill. Euro gegenüber 2010.
Bei der Mehrwertsteuer erfolgte diese Erhöhung ganz automatisch, bei der Grundsteuer nicht.
Zu dem Punkt, dass die letzte Anpassung der Grundsteuer in Tettnang im Jahr 2010 erfolgte und man seit 2018 angesichts des Urteils des Verfassungsgerichts die verfassungswidrige Grundsteuer weiter nicht erhöhen wollte, kam dann bei der Grundsteuerreform „von oben“ noch das Versprechen dazu, dass die Reform der Grundsteuer „aufkommensneutral“ sein soll, dass also die Gemeinden im Jahr 2025 in der Summe nicht mehr Grundsteuer einnehmen sollen, als im Vorjahr. Eine Inflationsanpassung war also erneut nicht möglich.
„Aufkommensneutral“ bedeutet aber nicht, dass bei allen Steuerpflichtigen die Grundsteuer wieder gleich hoch sein sollte. Hier kam es durchaus zu Verschiebungen. Während Wohnungseigentümer in einem größeren Wohnblock künftig deutlich weniger Grundsteuer bezahlen müssen, erhöht sich diese bei vielen Häusle-Besitzer mit großem Grundstück in guter Lage. Aufkommensneutral hieß lediglich, dass die Summe der Grundsteuer-Einnahmen einer Gemeinde nicht höher sein sollte, als im Vorjahr.
Damit die Einnahmen über die Grundsteuer wieder auf dem Niveau von 2010 gewesen wären, hätte der Grundsteuerhebesatz in Tettnang nicht 200 %, sondern 267 % betragen müssen. Nur mit einem solchen Hebesatz wären die 4 Million aus obiger Beispielsrechnung zusammengekommen.
Fazit: Um seine seit 2010 inflationsbedingt gestiegenen Ausgaben finanzieren zu können, wird Tettnang also gar nicht umhinkommen können, als das zwischen 2010 und 2024 entstandene Loch zu stopfen, also den Hebesatz der Inflation anzupassen und zu erhöhen.
Nach dem neuen System der Grundsteuer wird dann künftig eine solche Inflationsanpassung über den Hebesatz nicht mehr notwendig sein. Der Berechnung der Grundsteuer liegen nunmehr die sogenannten „Bodenrichtwerte“ zugrunde und diese werden alle sieben Jahre überprüft, neu festgelegt und fließen in die Berechnung der Grundsteuer ein. Wenn also ein Grundstück eine Wertsteigerung erfährt, dann wirkt sich diese künftig auch ohne Änderung des Hebesatzes auf die Höhe der Grundsteuer aus. So nimmt nach dem neuen System auch die Grundsteuer an der Preissteigerung, der Inflation teil.
Bildquellen
- Grundsteuerbescheid: Hans Schöpf