Ein Artikel über ein Baugebiet in Tettnang im Südfinder vom 19.04.2023 stieß seitens der
Gemeinderatsfraktion der Grünen in Tettnang auf wenig Gegenliebe, da dem Artikel eine
allgemeine Presseanfrage vorausging, die anschließend teilweise in den Artikel eingearbeitet
wurde. Insbesondere nachdem in dem Artikel auch unzutreffende Behauptungen aufgestellt
wurden, fühlte sich die Fraktion mit der Presseanfrage missbraucht.
Hier die Fragen der Presseanfrage und die Antworten, welche für die Grünen-Fraktion
Stadtrat Hans Schöpf formuliert hatte:
Welche Strategie verfolgen die Stadt Tettnang und der Gemeinderat bei der Umwandlung von
privaten Flächen in Bauland (Stichwort Zwischenerwerbsmodell, Vertragsmodell)?
Der Tettnanger Gemeinderat hat vergangenes Jahr nach langen Vorberatungen
Bauland- und wohnungsbaupolitische Grundsätze beschlossen, welche das
Zwischenerwerbsmodell als Regelfall vorsieht, aber auch davon abweichende
Lösungen möglich macht.
Wo liegen aus Ihrer Sicht die Vor- und Nachteile der verschiedenen Modelle?
Bei einem vollständigen Zwischenerwerb der Kommune bestimmt diese allein, wie
hoch z.B. der Anteil an bezahlbarem oder öffentlich gefördertem Wohnraum sein soll,
der auf der neuen Fläche entstehen soll.
Andererseits ist die Kommune stets darauf angewiesen, dass der Eigentümer oder die
Eigentümerin auch bereit ist, das mögliche Bauland zu verkaufen. Sie kann natürlich
sagen, dass die Flächen nur dann zu Bauland gemacht werden, wenn sie an die
Kommune verkauft werden. Das kann dann aber dazu führen, dass ein Erwerb nicht
möglich wird. Auch kann sich in einer Kommune, in welcher Wohnungsnot herrscht,
diese noch verstärkt und sich Wohnen in der Kommune noch weiter verteuert. Auch
kann es dem Bestreben zuwiderlaufen, erst den Innenbereich baulich zu verdichten,
ehe im Außenbereich unbebaute Flächen zu Bauland gemacht werden, wenn es der
Kommune nicht gelingt, brach liegende Flächen im Innenbereich zu erwerben.
Ist Ihnen bekannt, wie das in anderen Kommunen in der Region gehandhabt wird?
Selbstverständlich hat sich sowohl unsere Fraktion, als auch der Gemeinderat
insgesamt verschiedene Modelle angeschaut, die es in der Region gibt, so z.B.
Ravensburg, Lindau, Friedrichshafen, Radolfzell.
Hat sich in Tettnang in den letzten Jahren eine Änderung ergeben und wenn ja, warum? Gab
es dazu einen Beschluss im Gemeinderat?
Wie oben ausgeführt, hat der Tettnanger Gemeinderat vergangenes Jahr neue
Richtlinien beschlossen. Das früher angewandte Modell musste ohnehin angesichts
der laufenden Rechtsprechung überarbeitet werden. Aber sowohl das alte Modell wie
auch das neue sind lediglich „Richtlinien“, die der Gemeinderat nicht zwingend stets
anwenden muss.
Wie stellt sich Ihre Fraktion zu dem Thema? Sind Sie mit dem Verfahren einverstanden?
Haben Sie Alternativen?
Unsere Fraktion hätte sich gegenüber den in Tettnang mehrheitlich beschlossenen
Richtlinien solche gewünscht, die sich stärker am Radolfzeller Modell orientiert hätten.
Besonders im Bereich bezahlbarem Wohnraum und Infrastrukturabgabe wären dort
klarere Regelungen enthalten gewesen, als in dem in Tettnang beschlossenen Modell.
Wie wird sichergestellt, dass die Stadt Tettnang die zukünftig entstehenden Kosten für die
Infrastruktur (mehr Einwohner, mehr Kinder, mehr Kindergärten, usw.) tragen kann?
Das ist auf der einen Seite natürlich zunächst eine Frage der Preisgestaltung, für
welchen Flächenanteil, welcher Grundstückspreis zugrunde gelegt wird, welcher Anteil
für Erschließungsflächen abgegeben werden muss usw. Auf der anderen Seite erzielt
eine Kommune natürlich bei einem Bevölkerungszuwachs auch Mehreinnahmen im
Rahmen der Mittel, die ihr anteilig aus Steuern zustehen und wo bei der Berechnung
auch die Bevölkerungszahl ein Faktor ist, z. B. bei der Berechnung des kommunalen
Anteils an der Einkommenssteuer. Es erscheint sehr schwierig, die finanziellen
Auswirkungen von Bevölkerungszuwachs sowohl in die negative, als auch die positive
Richtung umfassend zu berechnen.
Auch werden in Tettnang laufend z.B. der Kindergartenbedarfsplan oder der
Schulentwicklungsplan aktualisiert, wobei neu hinzukommende Wohngebiete und der
damit verbundene Einwohnerzuwachs berücksichtigt werden. Daraus resultierende
Investitionsmaßnahmen sind sodann in der mittelfristigen Haushaltsplanung
einzuarbeiten. Die Frage der Finanzierbarkeit stellt sich dann bei jeder
Haushaltsberatung und je besser die Gesamtstrategie einer Kommune erstellt ist,
desto besser ist sie auf anstehende Aufgaben vorbereitet, weiß welche Projekte in
welcher Reihenfolge realisiert werden können und was und wie sie finanzierbar sind.
Text: Hans Schöpf