Die Diskussion und die Auseinandersetzung über Corona sind von zwei wichtigen Fragen bestimmt: sind die bestehenden und geplanten Einschränkungen hilfreich und sinnvoll, und ist die Einführung einer Impflicht derzeit zielführend, um das Virus langfristig einzudämmen?
Wie bekannt, ist eine deutliche Mehrheit in unserer Partei für eine Impfung eingetreten und hat die staatlichen Maßnahmen und Verordnungen wie die meisten Bürger*innen mitgetragen, um die Pandemie möglichst einzugrenzen.
Die Zeit einer Abstimmung im Bundestag zu einer allgemeinen Impflicht rückt näher. Deshalb ist die Frage, ob dieser Eingriff in unsere Grundrechte gerechtfertigt ist, für uns wichtig.
Zum Thema Impflicht ja oder nein gibt es in der Gesellschaft und auch bei den Bundestagsabgeordneten unterschiedliche Meinungen. Es ist daher auch für uns als Vorstand des Grünen Ortsverbandes wichtig, wie wir mit dieser Frage umgehen, wie wir einen Weg aus der Pandemie finden. Nicht zuletzt geht es auch darum, wie wir die Gräben, die in den letzten zwei Jahren in unserer Gesellschaft entstanden sind, überbrücken und wieder einen demokratischen Diskurs finden.
Letztendlich werden jedoch die höchsten Organe unserer parlamentarischen Demokratie, der Bundestag und das Bundesverfassungsgericht, entscheiden müssen, ob die Impfpflicht eingeführt wird und ob sie mit den garantierten Freiheitsrechten im Grundgesetz vereinbar ist.
In den letzten zwei Jahren haben Medizin und Wissenschaft immer wieder neue Erkenntnisse zum Thema Corona gewonnen. Deshalb haben sich die Vorschläge mit welchen Maßnahmen die Pandemie zu bekämpfen ist, immer wieder verändert. Auch unter den Expert*innen gab es dabei nicht immer ein einheitliches Meinungsbild. Manche Entscheidungen waren nicht nachvollziehbar. So wurde der Genesenen Status von sechs auf drei Monate reduziert, während Geimpften weiterhin sechs Monate angerechnet wurde (zwischenzeitlich wieder geändert).
Leider hat es immer wieder an der einheitlichen Umsetzung von Maßnahmen durch die Politik gefehlt. Viele Bürger*innen und Geschäftsleute empfanden Entscheidungen als widersprüchlich oder willkürlich und als unnötigen Zwang. Das hat dazu geführt, dass die Akzeptanz für diese Maßnahmen immer weiter abgenommen hat. Mit der Unzufriedenheit wuchs eine Bewegung, die an vielen Orten in Deutschland regelmäßig zu Demonstrationen aufruft.
Auch in unserem Überlinger Ortsverband der Grünen sind viele engagierte Mitglieder, die in anthroposophischen Einrichtungen arbeiten und dort in der Pädagogik, in sozialen Berufen wie der Pflege von Menschen auch mit Assistenzbedarf, in der Biologischen Landwirtschaft, in Handel und Umweltschutz über Jahrzehnte für unsere Gesellschaft Hervorragendes geleistet haben und dies auch heute mit vollem Engagement tun. Wir als Vorstand distanzieren uns deutlich davon, dass Themen wie Homöopathie und Anthroposophische Medizin und jene Menschen, die nicht geimpft werden möchten, ins gesellschaftliche Abseits gestellt werden.
Demonstrationen, sogenannte Spaziergänge und Kundgebungen sind ein demokratisches Recht aller Bürger*Innen, sofern sie sich an die Vorschriften halten. Nicht akzeptabel sind für uns Aufmärsche vor den Privathäusern von Politiker*innen, wie jetzt gerade bei Ministerpräsident Kretschmann geschehen.
Wir wollen darauf achten, dass rechtsradikale Gruppierungen das sensible Thema „Corona“ nicht für ihre Zwecke missbrauchen. Alle demokratischen Bürger*innen, egal ob sie mit den Corona Maßnahmen oder der Impfpflicht einverstanden sind, können gemeinsam diesen Versuch verhindern. In Überlingen ist das bisher gut gelungen.
Wir haben Verständnis, dass Bürger*innen, die mit den Corona Maßnahmen und der Impflicht nicht einverstanden sind, eine Plattform für das Gespräch und den Austausch suchen.
Daher möchten wir unsere Türen für den Dialog nach allen Seiten offenhalten und haben ausdrückliches Verständnis für die Sorgen und berechtigten Fragen unserer Bürgerschaft.
Thomas Brandt, Norbert Meier, Herbert Dreiseitl
Vorstand des Grünen Ortsverbandes
Überlingen, 20.02.2022