Ein bisschen ist der traditionelle Beitrag der Fraktionen zur Verabschiedung des Haushalts immer auch ein Rückblick auf die Arbeit des GR und der Verwaltung im vergangenen Jahr. Diese erfolgte auch
2021 unter deutlich erschwerten Bedingungen, in erster Linie in Folge der Corona-Pandemie. Insofern ist es uns heute wichtig, zu allererst Ihnen und euch Danke zu sagen für den Einsatz, das Ringen um Lösungen und das aufeinander hören in Diskussionen. Das hatten wir auch schon mal schlechter hinbekommen!
Aus der Perspektive des Klimaschutzes allerdings können wir noch lange nicht zufrieden sein mit dem, was wir mit diesem Haushalt veranlagt haben. Man könnte sagen, es ist ein Anfang.
Heute wissen wir, dass wir als Menschheit nur noch ein geringes CO2-Restbudget haben, das ohne wirkungsvolles Gegensteuern sehr bald aufgebraucht sein wird. Es bleibt uns also gar nichts Anderes
übrig, als unseren Fokus auch im kleinen Salem zukünftig mehr auf konkrete Handlungsschritte zur CO2-Reduktion zu lenken. Jede Verzögerung heute bedeutet, dass die Einsparbemühungen morgen
noch radikaler und somit teurer werden müssen.
Diese Erkenntnisse liefern uns die Klimaforschung und die Wirtschaftswissenschaft. Aber wo schlagen sie sich nieder in der Verwendung unserer Mittel? – Wie gesagt: Einzelne Positionen markieren schon einen bescheidenen Anfang. Dankenswerterweise wurden einige Anregungen aus dem GR
aufgenommen. Zum Beispiel:
- Die Fortschreibung der jährlichen 200.000,- € bspw. für PV-Anlagen und weitere energetische
Optimierungsmaßnahmen. - Die bereits im Juni 2020 beschlossene Teilnahme am Energy Award, durch die sicherlich so manche
Stellschraube, an der wir nachjustieren müssen, zu Tage treten wird. Demgegenüber fallen die Kosten
für den reinen Beratungsprozess sehr überschaubar aus. - Die Erhöhung der Ansätze für den Ausbau der Breitbandversorgung. Dies ist zwar keine Maßnahme,
die direkt dem Klimaschutz zugutekommt. Jedoch gehört eine leistungsfähige Internetanbindung heute
zur Grundversorgung im Berufsleben, in Bildung und Weiterbildung wie auch im privaten Bereich. - Sogar den Anstoß, klimaschutzrelevante Maßnahmen im HH-Plan als solche zu kennzeichnen, haben
Sie, Frau Kneisel unmittelbar übernommen und gleich einen ersten Vorschlag umgesetzt in Form der
grünen Bäumchen. Hierfür und überhaupt für Ihr offenes Ohr, Ihre Geduld, wenn wir mal wieder etwas nicht durchschaut haben, sowie Ihre Leidenschaft für die Zahlenwelt einen ganz besonderen Dank von
uns! Da können wir drauf aufbauen und wollen gemeinsam mit der Kämmerei auch noch ein bissle nachschärfen;-) Die ursprüngliche Idee hinter der Kennzeichnung war ja, am Jahresende schnell
erkennen zu können, ob wir es geschafft haben, diese Maßnahmen auch umzusetzen.
Die nächste Stufe (sozusagen die Königsdisziplin) wäre, dass für jede Maßnahme der dazugehörige CO²-Fußabdruck abgebildet wird. Der kann ja bekanntlich einen positiven oder einen negativen Wert
haben. Dies kann eine Kämmerei natürlich nicht einfach mal eben aus dem Ärmel schütteln, sondern benötigt ein gut handhabbares System, nach dem die Daten eingegeben und aufbereitet werden.
Zukunftsmusik also, aber nichts, was wir auf die lange Bank schieben dürfen! Wir haben den Auftrag, bis 2045 klimaneutral zu werden. Und hierfür ist dies schlicht die Voraussetzung.
Stattdessen jetzt mal ein Anfang mit den grünen Bäumchen. Wenn man da allerdings genauer hinschaut, dann sind die 40.000,- € für den sozialen Fahrdienst „Linzgau Shuttle“ zwar sehr gut angelegtes Geld, aber natürlich kein echter Beitrag zur Einsparung von CO².
Und auch der Betrag für die Fischtreppe (insges. über 600.000,- €) hat auch ein grünes Bäumchen bekommen. Soweit ich erinnere, ist dies eine ökologische Ausgleichsmaßnahme für die in der Vergangenheit erfolgte Ausweisung von Baugebieten und somit eine Verpflichtung der Gemeinde.
Unterm Strich also auch kein Beitrag für den Klimaschutz.
Und so könnte man jetzt weiter durchgehen: die Sanierung der Glasfassade, die Planung und Realisierung des DGH Stefansfeld oder die Sanierung der Radwege, allesamt keine Maßnahmen, durch
die nennenswert CO² eingespart wird.
In Zeiten, in denen langsam in unser aller Bewusstsein sickert, dass nahezu alles, was wir tagtäglich tun (vor allem Rohstoffe abbauen, mit enormem Energieeinsatz transportieren und verarbeiten, Fläche
versiegeln, ….) , Auswirkungen auf die CO²-Bilanz und somit auf die Klimaerwärmung hat, muss uns künftig mehr einfallen, als „Bauen für’s Klima“.
Und wenn schon „bauen“, dann unter anderen Vorzeichen:
Nachhaltig, maximal Ressourcen und Flächen schonend, bescheiden, man könnte also sagen: „nur noch das Nötigste“.
Wir könnten und sollten „unser“ Geld in Zukunft z.B. mehr fürs Nachdenken ausgeben,
- für Beratung, Know-how und Dienstleistung,
- für Reduzierung von Verbrauch und Beratung bauwilliger Bürger zum Thema Nachhaltigkeit oder Leerstandsaufwertung,
- für die Entwicklung intelligenter Flächennutzungskonzepte und die Förderung von Bürgerenergie-Genossenschaften.
Jedes Zuwarten auf Fördermittel vom Land, auf Gesetzesvorgaben aus Berlin oder Verordnungen aus Brüssel ist verlorene Zeit und macht am Ende alles nur noch teurer. Zukünftig muss gelten: Nicht mehr entweder oder, sondern sowohl als auch! Also Salem, Berlin und Brüssel. Nicht mehr grünen Strom produzieren oder Energie einsparen, sondern beides.
Die dicken Bretter werden in der großen Politik gebohrt, aber beweglich und schnell handlungsfähig sind die kleinen Einheiten, die einzelnen Bürger und die Kommunen. Bisher hatte ich an dieser Stelle
gerne gesagt: „Lasst uns mehr tun, als nur unsere Pflicht.“ Dabei ist es eigentlich ganz anders: Es ist unsere Pflicht. Wir können es uns nicht mehr leisten, weiterhin wählerisch zu sein bei der Auswahl der
Stellschrauben. Wir müssen sie alle bedienen. Alle, an die wir herankommen.
Allen denen unter euch, die jetzt denken „Moment mal, das ist doch eigentlich eine Haushalts-Rede und keine Klimaschutz-Rede!“ muss ich ehrlich sagen: Klimaschutz ist eine Sache des Haushalts, denn
genau hier entscheiden wir doch, wofür wir das Geld ausgeben.
Und eine grüne Fraktion, die dies nicht in den Mittelpunkt ihrer Haushaltsrede stellt, der wäre wirklich nicht mehr zu helfen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen am Ratstisch, der ja derzeit nur pandemiebedingt aus diesen vielen Einzeltischen besteht, die Arbeit wird nicht weniger.
Darum lasst uns gemeinsam mit dem Verwaltungsteam an unserem wichtigsten Ziel arbeiten: ein lebenswertes, starkes und klimaneutrales Salem.
Ralf Gagliardi, Gemeinderat der GoL