Stellungnahme der Fraktion GRÜNE/ÖDP in der Regionalversammlung

Folgendes Statement gab Kreisrätin Ulrike Lenski am 30. März im Rahmen einer hit­zi­gen Kreistagssitzung ab:
“Herr Franke, ein Satz von Ihnen ist mir abso­lut in Fleisch und Blut über­ge­gan­gen: „Bei uns wächst alles, die Wirtschaft, die , … nur nicht die Fläche!“ des­halb haben wir die­sen extre­men Zielkonflikt, mit enor­mer poli­ti­scher Sprengkraft. Schwierige Aufgabe des Regionalverbands (und nicht des Kreistags!) ist es, die ein­zel­nen Belange von , Siedlung und Freiraum sau­ber gegen­ein­an­der ab zu wägen. Und hier­zu dient auch die Stellungnahme der Unteren Behörden. Mit ihrer Expertise arbei­ten sie die Belange ihres Fachgebietes her­aus. Da unse­re Fachbehörden die­ser Aufgabe adäquat nach­ge­kom­men sind, vie­len Dank Frau Schuster an die­ser Stelle, ist die Stellungahme als sol­ches für unse­re Fraktion eigent­lich unproblematisch.

Eigentlich…. Aber!, unei­gent­lich sind wir doch ein­mal ehr­lich, hier und jetzt geht es doch gar nicht um die Inhalte der Stellungnahme. Hier und heu­te geht es zu aller erst um ein poli­ti­sches Plädoyer und Bekenntnis für „Mehr Gewerbefläche“. Bestimmt wird die­ser Ruf nach mehr Gewerbefläche ein­zig durch den Fokus auf das Wirtschaftswachstum in unse­rer Region, alle wei­te­ren Belange ignorierend.

Aber kann Flächeninanspruchnahme in unse­rer heu­ti­gen Zeit wirk­lich nur durch die Brille der Wirtschaftlichkeit betrach­tet wer­den?  Ich den­ke nein. Die Aussage der Stellungnahme, dass 76% der Gesamtfläche inner­halb der regio­na­len Grünzüge lie­gen, mag manch einem sug­ge­rie­ren, dass wir über einen rie­si­gen Pool an frei ver­füg­ba­rer Fläche ver­fü­gen. Dem ist mit­nich­ten so.

Bei die­ser Fortschreibung wur­de alles in die Grünzüge hin­ein­ge­packt: Landwirtschaftliche Nutzflächen, Waldgebiete, Landschaftsschutzgebiete, Frischluftschneisen, Naherholungsgebiete, Gewässer.
Setzen wir also den Ruf nach mehr Gewerbefläche in Kontext zu wei­te­ren Bedarfen, stellt sich zwangs­läu­fig die Frage: Welchen Wald also wol­len wir abhol­zen, wel­che Streuobstwiese fäl­len, oder wel­che land­wirt­schaft­li­chen Betriebe opfern?

Fakt ist, Fläche ist ein der­art knap­pes Gut, dass jede Inanspruchnahme in unse­rer hoch­sen­si­blen Bodenseeregion zu erheb­li­chen nega­ti­ven Auswirkungen in den Bereichen , Wasserhaushalt, Landschaftsschutz, oder Klima führt.

Und die­se Entwicklung kommt nicht von unge­fähr. Hervorzuheben ist, dass die Unterdeckung im Bereich der Gewerbeflächen der her­aus­ra­gen­den Bodenseelandschaft geschul­det ist. Bereits 2002 pos­tu­lier­te der Landesentwicklungsplan eine kla­re Entlastung der Bodenseeuferregion. Pfullendorf und Sigmaringen wer­den als Entlastungsregion genannt.
Seit fast 20 Jahren war also klar, wohin die Reise geht. Hat das zu Konsequenzen im Flächenverbrauch geführt? Haben wir Gewerbeflächenmanagement ent­wi­ckelt, Parkplätze in die Höhe oder Tiefe gebaut, verdichtet?

Unsere Flächenverknappung ver­schärft sich von Jahr zu Jahr. Keine Bautätigkeit, bei denen uns nicht hef­tig geführ­te Debatten die Endlichkeit der Ressource Fläche deut­lich vor Augen füh­ren. Dennoch, der Ruf nach immer wei­te­ren Gewerbeflächen bleibt unver­min­dert laut. Wir wol­len wei­ter­ma­chen wie bis­her, die Endlichkeit der Ressource igno­rie­ren, getreu dem Motto: dass nicht sein kann, was nicht sein darf.

Aber genau die­se emo­tio­na­le Grundhaltung, dass nicht sein kann, was nicht sein darf, ist nicht nur unwis­sen­schaft­lich, sie ver­hin­dert auch mög­li­chen Fortschritt”.  Genau das kön­nen wir uns nicht leis­ten, wol­len wir uns den größ­ten Herausforderungen unse­rer Zeit stel­len: dem und dem Rückgang der Biodiversität.  Wenn wir nur den Hauch einer Chance haben wol­len, dann müs­sen wir raus aus unse­rer Komfortzone der Wirtschaftsverwöhntheit und wirt­schaft­li­ches Wachstum neu den­ken, müs­sen wir uns dem Transformationsprozess der Wirtschaft stellen.

Jedoch dazu ist der vor­lie­gen­de Entwurf zur Fortschreibung des Regionalplans in sei­ner Gesamtheit wenig geeignet!

Die Unterdeckung beim Gewerbe im BSK darf nicht dar­über hin­weg­täu­schen, dass die Fortschreibung des Regionalplans mit einer Versiegelung von 2700 ha Fläche, ledig­lich das Wachstumsmodell der Vergangenheit fort­schreibt und kei­nen Plan für die Zukunft hat. Oder, um es mit den Worten der S4F aus zu drü­cken. Der zeigt den unbe­ding­ten Willen zum Wachstum. Wachstum in einer Größe, mit der die Klimaziele kra­chend ver­fehlt wer­den. Er ist laut VCD auch nicht geeig­net, die not­wen­di­ge in unse­rer Region her­bei­zu­füh­ren, und weist nach den Worten des Bauernverbands Sigmaringen einen unge­zü­gel­ten Angriff auf land­wirt­schaft­li­che Fläche auf.

Für uns als grü­ne Fraktion steht die Forderung nach Gewerbefläche immer im Kontext zu öko­lo­gi­schen, öko­no­mi­schen und sozia­len Belangen. Sie kann nie iso­liert durch die Brille der Wirtschaft beur­teilt wer­den. Das hie­ße, ohne zu hin­ter­fra­gen dem Primat der Wirtschaft zu fol­gen. Aus die­sem Grund kön­nen wir an die­ser Stelle nicht unse­re Zustimmung geben.

Gegen die­sen Regionalplan, der so wenig geeig­net ist, Antworten auf die drän­gen­den Fragen unse­rer Zukunft zu geben, erhebt sich brei­ter öffent­li­che Protest. Allein hin­ter den gro­ßen Naturschutzverbänden und NABU ste­hen 15000 Mitglieder und Förderer, die den Aufruf für einen zukunfts­fä­hi­gen Regionalplan und einer Reduktion der Flächeninanspruchnahme um die Hälfte for­dern. Und dabei sind BUND und NABU nur zwei von 30 Mitgliedern des Aktionsbündnisses fair Wandel.

Selbstverständlich distan­zie­re ich mich von jedem geset­zes­wid­ri­gen Protest. Aber, dass es bei die­sem brei­ten Protest zwei Vorkommnisse gab, darf nicht hei­ßen, den Protest in sei­ner Gesamtheit in Misskredit zu brin­gen. Das Recht auf Demonstration ist eine wesent­li­che Säule unse­rer Demokratie! Und, wie wir aktu­ell sehen, gibt es auch bei uns Volksvertretern ein­zel­ne, die sich nicht rechts­kon­form ver­hal­ten. Stellen wir des­halb unser System in Frage?

Erlauben Sie mir hier­zu einen letz­ten Gedanken:

Meine ers­te Veranstaltung als Kreistagsmitglied, war der Jugendklimagipfel. Obwohl nicht unbe­leckt beim Thema Klimawandel war es eine erschüt­tern­de Erfahrung, inmit­ten von Jugendlichen, die am Anfang ihres Lebens ste­hen, die Dimension und die Folgen des Klimawandels so glas­klar vor Augen geführt zu bekom­men. Hr. Professor Dr. Grobe vom Alfred-Wegener-Institut for­der­te damals die auf, zu demons­trie­ren, was sie ja seit­dem auch brav machen. Wir haben uns schon fast dar­an gewöhnt. Aber was pas­siert mit jeman­den der in jun­gen Jahren uner­müd­lich auf die Straße geht, um eine Zukunft kämpft und fest­stel­len muss, dass nicht das pas­siert, was pas­sie­ren müss­te.
Noch nie waren wir Volksvertreter so gut über eine bevor­ste­hen­de Katastrophe infor­miert und den­noch fehlt es uns an der nöti­gen poli­ti­schen Konsequenz! Die einen trei­ben wir damit in die Resignation. Die ande­ren auf und Dächer, wie im Fall der Regionalplanung. Können wir uns wirk­lich dar­über echauf­fie­ren, dass sie da oben sit­zen ohne uns zu fra­gen, wer oder was sie da hoch­ge­trie­ben hat? Welches Verbrechen an der kom­men­den Generation ist es denn, nicht zu handeln?

(Ulrike Lenski)

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